Kurzarbeit ist ein arbeitsmarktpolitisches Instrument, das in Deutschland im Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) geregelt ist. Sie dient dazu, vorübergehende Arbeitsausfälle zu überbrücken und Kündigungen zu vermeiden, indem die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit ganz oder teilweise reduziert wird. Den daraus resultierenden Entgeltausfall gleicht die Bundesagentur für Arbeit teilweise durch Kurzarbeitergeld (KUG) aus.
Die gesetzlichen Grundlagen finden sich insbesondere in den §§ 95 bis 109 SGB III, die die Anspruchsvoraussetzungen, das Anzeigeverfahren, die Höhe sowie die Dauer des Kurzarbeitergeldes festlegen.
Nachfolgend die wichtigsten praxisrelevanten Punkte, die jeder im Blick haben sollte:
1. Erheblicher Arbeitsausfall muss vorliegen. Dieser muss wirtschaftlich bedingt sein, z.B. durch Auftragsrückgang oder Lieferengpässe oder unabwendbar, z. B. durch behördliche Anordnung oder durch eine Naturkatastrophe. Dabei muss klar sein, dass die Situation vorübergehend ist, es muss also absehbar sein, dass sich die Lage wieder bessert. Zudem darf der Ausfall nicht durch zumutbare Gegenmaßnahmen vermeidbar sein, z. B. Einsatz in anderen Abteilungen, Abbau von Überstunden.
2. Mindestumfang des Arbeitsausfalls
Mindestens 1/3 der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer müssen im jeweiligen Kalendermonat einen Entgeltausfall von mehr als 10 % ihres monatlichen Bruttoarbeitsentgelts haben.
Bis Ende 2022 galt wegen Corona vorübergehend ein abgesenkter Schwellenwert – jetzt ist wieder die reguläre Grenze maßgeblich.
3. Betriebliche Voraussetzungen
Der Betrieb oder die Betriebsabteilung muss mindestens einen Arbeitnehmer beschäftigen. Auch Betriebsabteilungen können Kurzarbeit anmelden, wenn der Arbeitsausfall dort isoliert betrachtet wird.
4. Persönliche Voraussetzungen der Arbeitnehmer
Die betroffenen Arbeitnehmer müssen sozialversicherungspflichtig beschäftigt sein, also kein Minijobber, keine Rentner mit voller Altersrente. Sie dürfen nicht in gekündigtem Zustand sein, es darf also keine Kündigung und keinen Aufhebungsvertrag im Kurzarbeitszeitraum abgeschlossen worden sein, ansonsten müssen die betroffenen Mitarbeiter aus der Kurzarbeit herausgenommen werden, für diese besteht kein Anspruch auf Kurzarbeitergeld. Auch Leiharbeitnehmer können unter bestimmten Bedingungen Kurzarbeitergeld bekommen.
5. Anzeige bei der Agentur für Arbeit
Formell zwingend ist die Anzeige des Arbeitsausfall, diese muss spätestens am letzten Tag des Monats, in dem die Kurzarbeit beginnt, bei der Agentur für Arbeit angezeigt werden.
Die Anzeige muss schriftlich oder elektronisch erfolgen – mit Begründung und Nachweisen. Ohne eine rechtzeitige Anzeige besteht kein Anspruch auf Kurzarbeitergeld.
6. Beteiligung der Arbeitnehmervertretung
Bei bestehendem Betriebsrat ist zwingend dessen Zustimmung erforderlich. Ohne Betriebsrat ist die individuelle Zustimmung jedes betroffenen Arbeitnehmers (am besten schriftlich, z. B. per Zusatzvereinbarung zum Arbeitsvertrag) nötig. Hierbei ist es ausreichend, wenn die Regelung in der Vergangenheit im Arbeitsvertrag als Grundlage vereinbart wurde. Wichtig: -Eine einseitige Einführung durch den Arbeitgeber ist nicht zulässig.
Die meisten Kurzarbeitsanzeigen scheitern nicht an den großen formalen Punkten, sondern an Kleinigkeiten – z. B. fehlenden Nachweisen, falschem Beginn, oder weil der Arbeitsausfall nicht sauber dokumentiert wurde. Die Agentur für Arbeit überwacht hier sehr engmaschig. Vor allem im Rahmen der späteren Abrechnung und der KUG-Prüfungen kann es zu Rückforderungen kommen.
Weitere Schritte im Rahmen der Kurzarbeit
Vor Beginn der Kurzarbeit muss der Arbeitsausfall schriftlich bei der zuständigen Agentur für Arbeit angezeigt werden. Erst nach dieser Anzeige kann das Kurzarbeitergeld gezahlt werden. Die Auszahlung erfolgt auf monatlichen Antrag des Arbeitgebers, nachdem die tatsächlichen Arbeitsausfälle eingetreten sind. Die Höhe des Kurzarbeitergeldes richtet sich nach der Nettoentgeltdifferenz zwischen dem Soll-Entgelt, also dem Bruttoentgelt ohne Kurzarbeit, und dem Ist-Entgelt, das während der Kurzarbeit tatsächlich gezahlt wird.
Grundsätzlich ist Kurzarbeitergeld (KUG) im Kern eine Lohnersatzleistung, die den Nettoverlust teilweise ausgleicht. Ziel ist ein Ausgleich von 60 % (bzw. 67 % bei Kindern im Haushalt) des Nettoentgeltausfalls. Die Agentur für Arbeit nutzt pauschalierte Netto-Tabellen (keine exakte Lohnsteuerberechnung wie auf der Gehaltsabrechnung). Es wird also nicht vom „echten“ Netto, sondern vom pauschalierten Netto laut KUG-Tabelle ausgegangen.
Die Berechnungsschritte sehen dabei wie folgt aus:
Ermittlung Soll-Entgelt → Das Bruttoarbeitsentgelt, das der Arbeitnehmer ohne Kurzarbeit bekommen hätte.
Ermittlung Ist-Entgelt → Das Bruttoarbeitsentgelt, das der Arbeitnehmer in der Kurzarbeitsphase tatsächlich verdient.
Bestimmung Pauschaliertes Netto für Soll- und Ist-Entgelt → Werte stehen in den KUG-Tabellen der Agentur für Arbeit (abhängig von Steuerklasse, Kirchensteuer, Sozialversicherungspflicht).
Bildung Differenz : pauschaliertes Soll-Netto minus pauschaliertes Ist-Netto, und daraus ergibt sich dann der „Nettoentgeltausfall“.
Ein Rechenbeispiel verdeutlicht dies vermutlich besser:
Ausgehend von einem Mitarbeiter mit Steuerklasse I ohne Kinder und mit Kirchensteuer in Baden-Württemberg, 8 % würde die Berechnung wie folgt aussehen:
Soll-Entgelt: 3.000 € brutto
Ist-Entgelt: 1.500 € brutto (50 % Kurzarbeit)
Schritt 1: Pauschaliertes Netto laut KUG-Tabelle 2025
Soll-Entgelt 3.000 € brutto → ca. 1.958 € pauschaliertes Netto
Ist-Entgelt 1.500 € brutto → ca. 1.142 € pauschaliertes Netto
Schritt 2: Differenz bilden
1.958 € – 1.142 € = 816 € Nettoentgeltausfall
Schritt 3: Prozentsatz anwenden
Ohne Kind: 60 % → 489,60 € Kurzarbeitergeld
Mit Kind: 67 % → 546,72 € Kurzarbeitergeld
Ergebnis in der Praxisabrechnung (ohne Sonderfälle):
Brutto Kurzarbeit: 1.500 €
Kurzarbeitergeld (ohne Kind): 489,60 €
= Gesamte Auszahlung vor Abzügen für SV-Beiträge aus KUG: rund 1.989,60 €
Wichtig in der Praxis: Das Kurzarbeitergeld ist steuerfrei, unterliegt aber dem Progressionsvorbehalt, wirkt sich also auf den Steuersatz in der Jahressteuererklärung aus.
Als Arbeitgeber werden weiterhin für das Ist-Entgelt regulär Sozialversicherungsbeiträge gezahlt, für das KUG teilweise reduzierte Beiträge.
In der Praxis kommt es häufig vor, dass Arbeitgeber das Kurzarbeitergeld freiwillig aufstocken, um den Einkommensverlust der Beschäftigten zu mildern. Eine solche Aufstockung ist arbeits- oder tarifvertraglich zu regeln und kann festlegen, dass der Arbeitnehmer beispielsweise bis zu 80 oder 90 Prozent seines ursprünglichen Nettoentgelts erhält. Aufstockungsbeträge, die zusammen mit dem Kurzarbeitergeld 80 Prozent des ausgefallenen Entgelts nicht überschreiten, bleiben in der Regel beitragsfrei in der Sozialversicherung. Steuerlich sind Aufstockungsbeträge hingegen als steuerpflichtiger Arbeitslohn zu behandeln, wobei sie dem sogenannten Progressionsvorbehalt unterliegen. Arbeitgeber müssen daher nicht nur die Höhe der Aufstockung festlegen, sondern auch ihre lohnsteuer- und beitragsrechtlichen Konsequenzen berücksichtigen.
Bei der Kurzarbeit sind bestimmte Fristen einzuhalten. Die Anzeige des Arbeitsausfalls bei der Agentur für Arbeit muss spätestens am letzten Tag des Kalendermonats erfolgen, in dem die Kurzarbeit beginnt. Die Anträge auf Erstattung des Kurzarbeitergeldes sind spätestens drei Monate nach Ablauf des jeweiligen Abrechnungsmonats einzureichen. Verspätete Anträge führen in der Regel zum Verlust des Anspruchs. Auch die arbeitsrechtliche Vereinbarung muss vor Beginn der Kurzarbeit abgeschlossen sein; eine nachträgliche Genehmigung ist nicht möglich. Ebenso ist zu beachten, dass die Verlängerung der Kurzarbeit über den zunächst bewilligten Zeitraum hinaus erneut angezeigt und genehmigt werden muss.
Zu den typischen Fehlern in der Praxis gehört, dass die Kurzarbeit nicht wirksam arbeitsrechtlich vereinbart wurde. Fehlt eine klare vertragliche Grundlage, kann der Arbeitnehmer die volle Vergütung einfordern, selbst wenn Kurzarbeit tatsächlich praktiziert wurde. Häufig werden auch Meldefristen versäumt oder unvollständige Anträge gestellt, was zu Rückforderungen oder Ablehnungen führt. Fehlerhaft ist außerdem, wenn im Antrag oder in den monatlichen Abrechnungen nicht der tatsächliche Arbeitsausfall, sondern pauschale Werte angegeben werden. Auch die falsche Behandlung von Sonderzahlungen oder Überstundenvergütungen im Rahmen der KUG-Berechnung kann zu Beanstandungen durch die Agentur für Arbeit führen. Arbeitgeber sollten daher interne Prozesse so gestalten, dass die Erfassung der Arbeitszeiten und Ausfallstunden lückenlos dokumentiert ist und alle gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind.
Die Kurzarbeit bietet Unternehmen ein wirksames Instrument zur Sicherung von Arbeitsplätzen in wirtschaftlich schwierigen Zeiten. Für ihre erfolgreiche und rechtssichere Umsetzung ist jedoch ein präzises Vorgehen erforderlich. Dies umfasst die korrekte arbeitsrechtliche Einführung, die fristgerechte Anzeige, die vollständige und richtige Antragstellung sowie eine sorgfältige Abrechnung unter Berücksichtigung der sozialversicherungs- und lohnsteuerrechtlichen Vorschriften. Wird dies beachtet, kann Kurzarbeit ihren Zweck erfüllen, Beschäftigung zu sichern und die wirtschaftliche Stabilität des Unternehmens zu erhalten.
Kolumne: Kurzarbeit beantragen wird zum Bürokratie-Marathon | Personal | Haufe