Erläuterungen zur Kurzarbeitergeldermittlung und Praxisfragen

Kurzarbeitergeld begleitet uns nun schon seit einigen Wochen und viele Fragen dazu haben sich bereits geklärt. In der Praxis treten aber doch einige aktuelle Fragen auf, denn wir gerne nachgehen möchten.

Berechnung von Kurzarbeitergeld

Das Kurzarbeitergeld berechnet sich nach dem Nettoentgeltausfall (Differenz zwischen Soll- und Ist-Entgelt). Zur Ermittlung des Entgeltausfalls sind fünf Teilschritte erforderlich:

1. Feststellung des Soll-Entgelts: Dabei ist das Soll-Entgelt das Bruttoarbeitsentgelt (einschl. der Entgeltfortzahlung bei Krankheit oder Urlaub), das der Arbeitnehmer ohne den Arbeitsausfall erzielt hätte. Dies ist das regelmäßige laufende beitragspflichtige Arbeitsentgelt im Sinne der Sozialversicherung (SGB III), also bis zur Beitragsbemessungsgrenze in der Rentenversicherung. Nicht zu berücksichtigen sind Entgelte für Mehrarbeit in dem Anspruchszeitraum (Kalendermonat). Sachbezüge sind bei der Ermittlung des Soll-Entgelts mit dem Wert zu berücksichtigen, der sich aus §§ 2, 3 SvEV ergibt.
Das Soll-Entgelt ist auf die Beitragsbemessungsgrenze in der Rentenversicherung gedeckelt. Für 2020 gelten die Höchstbeträge von 6.900 Euro West und 6.450 Euro Ost

2. Feststellung des Ist-Entgelts: Das Ist-Entgelt ist das im jeweiligen Anspruchszeitraum tatsächlich erzielte gesamte beitragspflichtige Bruttoarbeitsentgelt (einschl. der Entgelte für Mehrarbeit). Hinzu kommen alle dem Arbeitnehmer zustehenden Entgeltanteile (z. B. vermögenswirksame Leistungen, Stellenzulagen). Dem tatsächlich erzielten Bruttoarbeitsentgelt sind auch die nicht gezahlten Entgeltanteile, z. B. Mehrarbeitszuschläge, bzw. die gezahlten, nur auf die Mehrarbeit entfallenden Entgeltanteile hinzuzurechnen, auf die der Arbeitnehmer einen arbeitsrechtlichen Anspruch hat. Sachbezüge sind bei der Ermittlung des Ist-Entgelts ebenfalls mit dem Wert zu berücksichtigen, der sich aus den §§ 2, 3 SvEV ergibt.

Praxistipp: Ein Zuschuss zum Kurzarbeitergeld bleibt bei der Berechnung des Ist-Entgelts außer Betracht.

3. Feststellung der Leistungsgruppe und des -satzes.

4. Ablesen der rechnerischen Leistungssätze, die aus den pauschalierten Nettoentgelten für das Soll-Entgelt und für das Ist-Entgelt nach den Leistungssätzen 1 und 2 errechnet wurden.

5. Ermittlung des Unterschiedsbetrags zwischen den aus der Tabelle abgelesenen rechnerischen Leistungssätzen für das Soll-Entgelt und für das Ist-Entgelt. Das Ergebnis stellt das Kurzarbeitergeld dar.
Nach § 106 Abs. 1 S. 4 SGB III bleibt Arbeitsentgelt, das einmalig gezahlt wird, bei der Berechnung von Soll-Entgelt und Ist-Entgelt außer Betracht. Das Soll- und das Ist-Entgelt wird auf den nächsten durch 20 teilbaren Euro-Betrag auf- bzw. abgerundet.

Besonderheit: Entgeltumwandlung zur bAV

Die für die Entgeltumwandlung in den Durchführungswegen Direktzusage und Unterstützungskasse sowie Pensionskasse, Pensionsfonds und Direktversicherung verwendeten Entgeltbestandteile sind bis zu einem Betrag in Höhe von vier Prozent der jährlichen Beitragsbemessungsgrenze Rentenversicherung kein Arbeitsentgelt. Diese Entgeltbestandteile sind deshalb weder beim Soll- noch beim Ist-Entgelt zu berücksichtigen, so zu lesen in den Fachlichen Weisungen Kurzarbeitergeld der Bundesagentur für Arbeit, Tz. 10). Die Auslegung dazu kann allerdings unterschiedlich gelesen werden; wir wenden diese in Übereinstimmung mit der DATEV unter Berücksichtigung der steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Folgewirkungen an, wie folgendes Beispiel zeigt:

Ein Arbeitnehmer hat ein Festgehalt von 3.000 Euro und wandelt monatlich 100 Euro zugunsten einer Direktversicherung um. In der Corona-Krise erhält er im März nur ein Festgehalt von 2.300 Euro, wandelt aber weiterhin 100 Euro um.
Soll-Entgelt 3.000 Euro ./. 100 Euro 2.900 Euro
Ist-Entgelt 2.300 Euro ./. 100 Euro 2.200 Euro

Für die Höhe des Kurzarbeitergelds werden zwei Leistungssätze: Leistungssatz 1 (erhöhter Leistungssatz von 67 Prozent): für Arbeitnehmer, die mindestens ein Kind haben, sowie für Arbeitnehmer, deren Ehegatte mindestens ein Kind hat, wenn beide Ehegatten unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sind und nicht dauernd getrennt leben. Für Personen in eingetragenen Lebenspartnerschaften trifft dies ebenfalls zu. Leistungssatz 2 (allgemeiner Leistungssatz von 60 Prozent) gilt dann für die übrigen Arbeitnehmer.

Der erhöhte Leistungssatz 1 wird gewährt, wenn in der elektronischen Lohnsteuerkarte ein Kinderfreibetrag mit dem Zähler von mindestens 0,5 eingetragen ist.

Die Agentur für Arbeit empfiehlt diese Eintragungen auf Aktualität zu überprüfen bzw. beim Finanzamt zu beantragen. Der Leistungssatz 1 kann aber auch gewährt werden, wenn ein Kind mit einer entsprechenden Bescheinigung der Agentur für Arbeit nachgewiesen wurde. Die Ausstellung der Bescheinigung können sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer beantragen.

Praxistipp: ein Nachweis von Kindern kann nicht rückwirkend umgerechnet werden, es sei denn, dieser wird über das Bundeszentralamt für Steuern übermittelt.

Das Kurzarbeitergeld beträgt 67 bzw. 60 Prozent der Nettoentgeltdifferenz. Das pauschalierte monatliche Nettoentgelt wird ermittelt, indem das gerundete Soll- und das gerundete Ist-Entgelt um folgende pauschalierten Abzüge vermindert wird:
• Sozialversicherungspauschale in Höhe von 20 Prozent
• Lohnsteuer nach der Lohnsteuerklasse des Arbeitnehmers
• Solidaritätszuschlag

Grundsätzlich sind die dem Arbeitgeber im jeweiligen Kalendermonat (Anspruchszeitraum) mittels ELStAM übermittelten Daten über die Lohnsteuerklasse maßgebend. Wird eine Eintragung zu einem späteren Zeitraum geändert, so ist die Änderung für einen bereits abgerechneten Kalendermonat unbeachtlich.

Im Leistungsantrag für das Kurzarbeitergeld ist neben dem Soll- und Ist-Entgelt, der Lohnsteuerklasse und dem Leistungssatz auch der rechnerische Leistungssatz für das Soll- und das Ist-Entgelt anzugeben.

Praxistipp: Sie können die Berechnung des Kurzarbeitergeldes gut die Tabelle der Agentur für Arbeit (verlinken) nutzen. Anhand dieser lassen sich die maßgebenden rechnerischen Leistungssätze ablesen.

Beispiel: gehen wir von einem monatlichen Bruttogehalt von EUR 2.700,- und der Lohnsteuerklasse 1 aus und einem verbleibenden Ist-Entgelt von 800,-. Mit diesen Bruttowerten wird in die BA-Tabelle gegangen: bei Vorhandensein von Kindern besteht Anspruch auf Leistungssatz 1 und die Lohnsteuerklasse ist die III:

Hierzu wird der pauschalierte Nettowert aus der Tabelle abgelesen:

 

 

Dann wird das reduzierte Entgelt abgelesen, dass sich auf EUR 800,- beläuft: auch mit diesem Wert geht man in die Tabelle:

 

 

Diese beiden Werte werden voneinander abgezogen: EUR 1.377,63 ./. EUR 428,80 = EUR 908,83. Und diesen Wert finden Sie dann auf der Lohnabrechnung als Kurzarbeitergeld wieder.

Wichtig: Kurzarbeitergeld ist steuerfrei, es unterliegt aber dem Progressionsvorbehalt. Der Progressionsvorbehalt findet in der Gehaltsabrechnung keine Berücksichtigung und wird erst im Rahmen der Einkommensteuererklärung geprüft. Daher besteht die Pflicht zur Abgabe einer Einkommensteuererklärung für den Arbeitnehmer. Der Arbeitgeber muss das Kurzarbeitergeld in Zeile 15 der Lohnsteuerbescheinigung ausweisen.
Auch bei Bezug von Kurzarbeitergeld besteht die Versicherungspflicht im Einzelfall fort. Zur Verbeitragung des Kurzarbeitergelds wird ein fiktives Arbeitsentgelt berechnet, auf das an dieser Stelle nicht näher eingegangen wird. Für das tatsächlich weiter gezahlte Entgelt besteht ebenfalls Versicherungspflicht.
• Für Arbeitsentgelt, das während der Kurzarbeit verdient wird, bleibt es dabei, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer den Beitrag gemeinsam tragen.
• Für das Arbeitsentgelt für die Arbeitszeit, die durch Kurzarbeit entfällt, trägt der Arbeitgeber die Abgaben allein. Ihm werden für Arbeitsausfälle bis zum 31.12.2020 die von ihm während des Bezugs von Kurzarbeitergeld allein zu tragenden Beiträge zur Sozialversicherung auf Antrag von der Bundesagentur für Arbeit in pauschalierter Form erstattet (§ 2 Verordnung über Erleichterungen der Kurzarbeit).
Verschiedene Tarifverträge, aber auch einzelvertragliche Regelungen sehen eine Aufstockung zum Kurzarbeitergeld vor. Dabei stockt der Arbeitgeber das Kurzarbeitergeld auf: in der Regel bis zu einem bestimmten Prozentsatz des bisherigen Nettoentgelts, teilweise auch des bisherigen Bruttoentgelts. Dieser Aufstockungsbetrag bleibt bei der Berechnung des Kurzarbeitergelds außen vor, ist aber steuerpflichtiger Arbeitslohn. In der Sozialversicherung ist er beitragsfrei, soweit er zusammen mit dem Kurzarbeitergeld 80 Prozent des ausgefallenen Arbeitsentgelts nicht übersteigt.

Seit 01. März gilt:
• Nur noch 10 Prozent der Beschäftigten im Betrieb müssen vom Arbeitsausfall betroffen sein (statt wie zuvor ein Drittel), damit Kurzarbeitergeld in Anspruch genommen werden kann.
• Den Arbeitgebern werden die Sozialversicherungsbeiträge, die sie für die Kurzarbeit zahlen müssen, in voller Höhe erstattet (durch die Bundesagentur für Arbeit, BA)
• Kurzarbeitergeld gibt es auch für Leiharbeitnehmer: Auch Zeitarbeitsunternehmen können bereits jetzt einen Arbeitsausfall bei der Agentur für Arbeit anzeigen.
• Es müssen keine negativen Arbeitszeitsalden mehr aufgebaut werden, um Kurzarbeit zu nutzen: Bisher mussten Betriebe, um Kurzarbeit zu vermeiden, möglichst Vereinbarungen zu Arbeitszeitschwankungen nutzen.

Ab 22. April gilt ergänzend?
• Das Kurzarbeitergeld wird erhöht, und zwar abhängig von der Dauer der Kurzarbeit. Bisher zahlt die Bundesagentur für Arbeit bei Kurzarbeit 60 Prozent und für Eltern 67 Prozent des Lohnausfalls.
• Ab dem vierten Monat des Bezugs soll das Kurzarbeitergeld für kinderlose Beschäftigte, die derzeit um mindestens 50 Prozent weniger arbeiten, auf 70 Prozent und ab dem siebten Monat des Bezugs auf 80 Prozent des Lohnausfalls erhöht werden.
• Bei Beschäftigten mit Kindern, die derzeit um mindestens 50 Prozent weniger arbeiten, beläuft sich die Erhöhung ab dem vierten Monat des Bezugs auf 77 Prozent und ab dem siebten Monat des Bezugs auf 87 Prozent.
• Diese Erhöhungen gelten maximal bis 31. Dezember 2020.

 

Haben Gesellschafter-Geschäftsführer (GGf) einer GmbH einen Anspruch auf Kurzarbeitergeld?
Auch hier gilt der Grundsatz: Wer nicht in die Arbeitslosenversicherung einzahlt, bekommt kein Kurzarbeitergeld. Maßgeblich für den Anspruch auf das Kurzarbeitergeld ist daher der sozialversicherungsrechtliche Status des Gesellschafter-Geschäftsführers einer GmbH.
Ein Minderheitsgesellschafter ist in der Regel als abhängig Beschäftigter anzusehen, und zwar unabhängig davon, wie frei er über Arbeitszeit, Urlaub und Ähnliches entscheiden kann. Das BSG stellt allein auf die vertraglichen Vereinbarungen ab. Ergibt sich daraus, dass der Minderheitsgesellschafter Entscheidungen nicht verhindern kann, wird die Selbstständigkeit des Minderheitsgesellschafters wohl verneint, so dass er als Folge sozialversicherungspflichtig ist und damit auch in die Arbeitslosenversicherung einzahlt. Damit entsteht auch Anspruch auf Kurzarbeitergeld.
Der Mehrheitsgesellschafter einer GmbH mit mindestens 50 Prozent-Anteilen oder einer Option auf eine Sperrminorität kraft ausdrücklicher Regelungen im Gesellschaftsvertrag (Satzung), sodass es ihm möglich ist, Weisungen der Gesellschafterversammlung zu verhindern, ist sozialversicherungsfrei und damit auch ohne Anspruch auf Kurzarbeitergeld.

 

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