Der 01. April führte zu neuem Regelungsbedarf bei Leiharbeit und Werkverträgen

Viele Unternehmen setzen neben eigenen Mitarbeitern auch Fremdpersonal im Wege der Arbeitnehmerüberlassung (Leiharbeitnehmer) oder auf der Basis von Dienst- und Werkverträgen ein. Seit dem 01. April greift das neue Arbeitnehmerüberlassungsgesetz, was wie schon Ende 2016 aufgezeigt, einigen Konkretisierungsbedarf nach sich zieht.

Grundsätzlich legt das neue Arbeitnehmerüberlassungsgesetz folgende Dinge fest:

Begrenzung der Höchstüberlassungshöchstdauer auf 18 Monate
Überlassungszeiten vor dem 01.04.2017 werden dabei nicht mitgerechnet. Unterbrechungen von mehr als drei Monaten setzen die Frist neu in Gang.

Beispiel
Leiharbeitnehmer A ist seit dem 01.01.2016 an das Unternehmen U entliehen. Die Überlassungshöchstdauer von 18 Monaten beginnt ab dem 01.04.2017 zu laufen. Die 15 Monate seit 01.01.2016 werden nicht angerechnet.

Zulässig bleibt es, nach Ablauf der Höchstüberlassungsdauer einen anderen Leiharbeitnehmer auf dem Arbeitsplatz einzusetzen.

Die Tarifvertragsparteien der jeweiligen Einsatzbranche können in Branchentarifverträgen eine längere Überlassungshöchstdauer festlegen. Der Tarifvertrag der Einsatzbranche kann auch in einer Öffnungsklausel vorsehen, dass abweichende Regelungen zur Überlassungshöchstdauer in einer Betriebsvereinbarung festgelegt werden können.

Im Geltungsbereich des Branchentarifvertrags können auch nicht tarifgebundene Entleiher die abweichende tarifvertragliche Regelung durch Betriebsvereinbarung inhaltsgleich übernehmen. Legt nicht schon der Tarifvertrag für Betriebsvereinbarungen eine eigene Obergrenze fest, sind die tarifungebundenen Entleiher an eine Höchstgrenze von 24 Monaten gebunden.

Folgen bei Überschreitung der Überlassungshöchstdauer
Bei Überschreitung der Überlassungshöchstdauer ist der Arbeitsvertrag zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer unwirksam. Es wird ein Arbeitsverhältnis zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer fingiert. Der Leiharbeitnehmer kann mittels Festhaltenserklärung darauf bestehen, dass sein Arbeitsverhältnis zum Verleiher fortgesetzt wird. Dieser administrative Akt ist in der Praxis aber nur sehr begrenzt umsetzbar.

Wichtig: Bei einer Überschreitung der Überlassungshöchstdauer droht Verleihern ein Bußgeld von bis zu 30.000 Euro.

Gleichstellungsgrundsatz und Umsetzungsfristen für Equal Pay
Nach dem Gleichstellungsgrundsatz hat der Verleiher dem Leiharbeitnehmer die wesentlichen Arbeitsbedingungen und das Arbeitsentgelt eines vergleichbaren Stammmitarbeiters des Entleihers zu gewähren (Equal Pay). Tarifvertraglich kann vom Equal Pay abgewichen werden. Das ist auf neun Monate begrenzt, wobei nur Zeiten nach dem 01.04.2017 berücksichtigt werden und Unterbrechungen von bis zu drei Monaten die Frist nicht neu in Gang setzen.

Beispiel
Leiharbeitnehmer B ist seit 01.01.2017 an das Unternehmen V entliehen. Der Tarifvertrag sieht ein niedrigeres Gehalt für Leiharbeitnehmer als für die Stammbelegschaft vor. Von Mai bis Ende Juli 2017 (Fall a) bzw. bis Ende August 2017 (Fall b) ist eine Unterbrechung geplant.

  • Fall a: Die Neun-Monats-Frist beginnt ab dem 01.04.2017 zu laufen und endet am 31.12.2017. Die dreimonatige Unterbrechung (Mai bis Juli) ändert daran nichts. B steht ab 01.01.2018 das gleiche Gehalt wie einem Stammarbeitnehmer zu.
  • Fall b: Die viermonatige Unterbrechung (Mai bis August) setzt eine neue Frist in Gang. Diese läuft ab dem 01.09.2017 und endet am 31.05.2018. B hat ab 01.06.2018 Anspruch auf gleiche Bezahlung.

Längere Abweichungen sind zulässig, wenn ein Branchenzuschlagstarifvertrag vorsieht, dass nach spätestens sechs Wochen eine stufenweise Heranführung der Vergütung an das gleichwertige tarifvertragliche Entgelt vergleichbarer Arbeitnehmer der Einsatzbranche beginnt. Dann ist nach spätestens 15 Monaten Equal Pay zu gewähren. Tarifungebundene Verleiher und Leiharbeitnehmer können im Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrags die Anwendung des Tarifvertrags individualrechtlich vereinbaren.

Vereinbarungen, die für Leiharbeitnehmer schlechtere Arbeitsbedingungen bzw. ein geringeres Arbeitsentgelt vorsehen, sind unwirksam und den Verleihern droht bei Verstößen ein Bußgeld bis zu 500.000 Euro.

Keine „Vorratsverleiherlaubnis“ mehr
Um die Rechtsfolgen einer illegalen Arbeitnehmerüberlassung im Fall von Scheinwerkverträgen abzuwenden, reichte es bisher, eine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung vorrätig zu halten, um die verdeckte Arbeitnehmerüberlassung im Falle der „Aufdeckung“ nachträglich zu „legalisieren“. Dieser Schutz der „Vorratsverleiherlaubnis“ entfällt mit dem neuen AÜG. Die Arbeitnehmerüberlassung muss im Vertrag schon vor Beginn des Einsatzes ausdrücklich als solche bezeichnet und die Person des Leiharbeitnehmers namentlich konkretisiert werden.

Beim Verstoß gegen die Offenlegungspflicht ist der Arbeitsvertrag zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer unwirksam. Es wird ein Arbeitsverhältnis zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer fingiert. Dem kann der Leiharbeitnehmer innerhalb eines Monats schriftlich widersprechen (Festhaltenserklärung), was aber einige Ansprüche an den Arbeitnehmer stellt und zudem mit Bußgeldern bis zu 30.000 Euro für Entleiher und Verleiher bedacht werden kann.

Kettenüberlassung verboten
Ausdrücklich wird nun im AÜG normiert, dass die weitere Überlassung eines Leiharbeitnehmers durch den Entleiher an einen End-Entleiher unzulässig ist. Somit wird eine Kettenüberlassung untersagt.

Tipps für die Praxis
Unternehmen, die Fremdpersonal im Wege der Arbeitnehmerüberlassung oder auf der Basis von Dienst- und Werkverträgen einsetzen, müssen ab 01. April 2017 sicherstellen, dass die gewählte Vertragsform der tatsächlichen Vertragsdurchführung entspricht. Insofern empfiehlt es sich, die Verträge und Arbeitsprozesse, in die Fremdpersonal eingebunden ist, zu überprüfen. Ggf. müssen die Verträge und Einsatzformen angepasst werden.

  • Arbeitnehmerüberlassung ist zu empfehlen bei Projekten mit einem vorhersehbaren Beschäftigungsbedarf von bis zu 18 Monaten. Gleiches gilt, wenn der konkrete Leiharbeitnehmer mit geringer Einarbeitungszeit gegen einen anderen Leiharbeitnehmer ausgetauscht werden kann.
  • Der Werkvertrag bietet sich u. a. an, wenn Projekte vom Kunden an spezialisierte Unternehmen übertragen werden. Vorteile des Werkvertrags: Der Werkunternehmer ist für das Ergebnis verantwortlich, er trägt das Risiko bis zur Abnahme des Werks. Der Kunde hat Gewährleistungsansprüche.
    – Im Werkvertrag sollte der geschuldete Erfolg möglichst präzise definiert und der Werklohn ergebnisbezogen festgelegt werden. Zu regeln sind auch die unternehmerische Dispositionsfreiheit des Werkunternehmers bei der Personaleinsatzplanung und die eigenverantwortliche Organisation der zur Erstellung des Werks erforderlichen Arbeitsabläufe.
    – Das geschuldete Werk sollte während des Projekts nicht durch eine Reihe von Einzelanweisungen konkretisiert werden. Sonst besteht die Gefahr, dass der Werkunternehmer oder der eingesetzte Erfüllungsgehilfe zum Mitarbeiter des Auftraggebers wird.
  • Der Dienstvertrag eignet sich für höherrangige Dienste, bei denen kein konkreter Erfolg geschuldet ist, und für die der Dienstleistende keine einzelnen Weisungen für die Erfüllung seiner Aufgaben entgegennehmen muss.
  • Werkunternehmer und Dienstleister sowie deren Erfüllungsgehilfen sind deutlich von Leiharbeitnehmern abzugrenzen.
    – Daher ist darauf zu achten, dass diese ihre Leistung selbst erbringen und ihre Arbeitszeit im Wesentlichen frei von Weisungen des Auftraggebers ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn höherwertigere Dienstleistungen erbracht werden, die einer besonderen Sachkunde bedürfen.
    – Die Vergütung sollte die Höherwertigkeit der Dienste widerspiegeln.
    – Werkunternehmer und Dienstleister sollten nicht zur Aufstockung der Stammbelegschaft des Kunden herangezogen werden, um dort neben dieser in gemischten Teams vergleichbare Arbeiten zu erbringen.

 

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