Am 8. März 2022 hat das Bundesarbeitsgericht zum ersten Mal eine Stellungnahme zur gesetzlichen Verpflichtung des Arbeitgebers, die Entgeltumwandlung zu bezuschussen, abgegeben.
Zwei Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts (BAG) drehten sich insbesondere um die Frage, unter welchen Voraussetzungen durch Tarifverträge von der Zuschussverpflichtung abgewichen werden kann.
Durch die Einführung des Betriebsrentenstärkungsgesetzes kann jeder Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber verlangen, dass von seinen künftigen Entgeltansprüchen bis zu 4 % der für die gesetzliche Rentenversicherung geltenden Beitragsbemessungsgrenze als Entgeltumwandlung für die Finanzierung einer betrieblichen Altersversorgung verwendet werden (vgl. § 1a Abs. 1 S. 1 BetrAVG).
Seit dem 1. Januar 2019 wird die durch die Entgeltumwandlung verbundene Sozialversicherungsersparnis des Arbeitgebers nach dem Willen des Gesetzgebers bis zu einer Obergrenze von 15 % des Umwandlungsbetrags als sog. Arbeitgeberzuschuss an denjenigen Pensionsfonds, diejenige Pensionskasse oder diejenige Direktversicherung gezahlt, an die auch die Entgeltumwandlung fließt (§ 1a Abs. 1a BetrAVG). Liegt die Sozialversicherungsersparnis unterhalb von 15 %, ist dieser (geringere) Betrag maßgebend.
Zum Schutz von Bestandsverträgen wurde die Zuschussverpflichtung stufenweise eingeführt. Während der Arbeitgeberzuschuss bei Entgeltumwandlungsvereinbarungen, die nach dem 31. Dezember 2018 abgeschlossen wurden, bereits seit dem ersten Tag der Entgeltumwandlung geschuldet ist, galt für ältere, vor dem 1. Januar 2019 abgeschlossene Entgeltumwandlungsvereinbarungen zunächst bis zum 31. Dezember 2021 eine Übergangsfrist (§ 26a BetrAVG). Seit dem 1. Januar 2022 gilt die gesetzliche Zuschussverpflichtung jedoch für alle Entgeltumwandlungsvereinbarungen; auch für solche, die vor dem 1. Januar 2019 abgeschlossen wurden.
Abweichungen von dieser gesetzlichen Pflicht können die Arbeitsvertragsparteien nicht individualrechtlich zum Nachteil des Arbeitnehmers festlegen; für die Tarifvertragsparteien bestehen aber weitergehende Gestaltungsmöglichkeiten.
Mit dieser Abweichungsbefugnis und deren Auswirkungen auf den neuen Arbeitgeberzuschuss zur Entgeltumwandlung hat sich das BAG in seinen Urteilen (3 AZR 361/21 und 3 AZR 362/21) befasst.
In den zugrundeliegenden Verfahren stritten die Parteien über die Verpflichtung des jeweiligen Arbeitgebers, den gesetzlichen Arbeitgeberzuschuss in den Jahren 2019 und 2020 zu zahlen. Der anzuwendende Tarifvertrag sah neben der Möglichkeit zur Entgeltumwandlung auch einen Arbeitgeberbeitrag vor (im Tarifvertrag „Altersvorsorgegrundbetrag“ genannt), der allerdings völlig unabhängig davon gewährt wird, ob sich ein Arbeitnehmer seinerseits an der Finanzierung der Altersversorgung im Wege der Entgeltumwandlung beteiligt oder nicht. In dem einen Fall kam der Tarifvertrag aufgrund beidseitiger Tarifbindung zur Anwendung, in dem anderen aufgrund eines Haustarifvertrags aus dem Jahr 2019, der auf diesen Tarifvertrag verweist.
Die Klagen waren weder in den Vorinstanzen noch jetzt vor dem BAG erfolgreich. Allerdings hat das BAG bei der Zurückweisung der Revisionen offengelassen, ob die Tariföffnungsklausel des § 19 Abs. 1 BetrAVG auf den (Verbands-)Tarifvertrag zur Altersversorgung Anwendung findet und den Anspruch der Arbeitnehmer modifizieren konnte, obwohl dieser Tarifvertrag lange vor Inkrafttreten des Betriebsrentenstärkungsgesetzes abgeschlossen wurde.
Da der Tarifvertrag zur Altersversorgung bereits am 9. Dezember 2008 zustande gekommen ist und einen Anspruch auf Entgeltumwandlung enthält bzw. ausgestaltet, sei er jedenfalls als kollektivrechtliche Alt-Entgeltumwandlungsvereinbarung zu qualifizieren, die wegen der Übergangsregelung des § 26a BetrAVG frühestens zum 1. Januar 2022 einen Anspruch auf den Arbeitgeberzuschuss auslösen könne. Die in der Literatur bislang streitige Frage, ob ein Kollektivvertrag, der zwar die Rahmenbedingungen der Entgeltumwandlung festlegt, selbst aber noch keine automatische Entgeltumwandlung (i.S.e. sog. Auto-Enrollments) vorsieht, für sich genommen überhaupt die Voraussetzungen einer Alt-Entgeltumwandlungsvereinbarung i.S.d. § 26a BetrAVG erfüllt, wurde vom BAG also jetzt bejaht.
Da die Klagen nur den Arbeitgeberzuschuss für die Jahre 2019 und 2020 betrafen, konnte es sich das BAG in der Entscheidung vergleichsweise „leicht machen“.
Mit seinen Urteilen vom 8. März 2022 hat das BAG für die Praxis nach aber immerhin klargestellt, dass Tarifverträge, die ab dem 1. Januar 2019 geschlossen werden, Abweichungen vom gesetzlichen Arbeitgeberzuschuss enthalten können.
Offen bleibt, was für ältere Tarifverträge gilt, die bereits vor diesem Datum abgeschlossen wurden. Können auch diese Tarifverträge wirksam von der gesetzlichen Verpflichtung zur Zahlung eines Arbeitgeberzuschusses abweichen (was wünschenswert wäre)? Das Argument, das für diese Abweichungsbefugnis spricht, gilt nach unserem Dafürhalten für sämtliche Tarifverträge, unabhängig von deren Abschlussdatum. Der Tarifvorrang erklärt sich insbesondere aus der Tarifautonomie, die verfassungsrechtlichen Schutz genießt. Im Übrigen vertraut der Gesetzgeber weitgehend auf die Parität der Tarifvertragspartner, die die Gewähr für eine angemessene Berücksichtigung auch der Interessen der Arbeitnehmer bietet.
Eine andere, noch ungeklärte Frage ist, ob sonstige Leistungen einer arbeitgeberfinanzierten tariflichen Versorgung (wie hier der tarifliche Altersversorgungsgrundbetrag) auf den gesetzlichen Arbeitgeberzuschuss angerechnet werden können oder müssen. Vielleicht bringen die Entscheidungsgründe nach ihrer Veröffentlichung hier eine weitere Aufklärung.
Aufgrund der nach wie vor offenen Fragen zum Arbeitgeberzuschuss ist es für Arbeitgeber besonders wichtig, Tarifverträge zur betrieblichen Altersversorgung und auch bestehende Betriebsvereinbarungen kritisch zu prüfen. Es sollte möglichst klar geregelt werden, ob Leistungen des Arbeitgebers auf den gesetzlichen Arbeitgeberzuschuss anzurechnen sind oder nicht. Fehlen solche Festlegungen, sollten die maßgeblichen Kollektivvereinbarungen möglichst entsprechend angepasst werden.