Zu Beginn des Jahres hat das Bundeskabinett das „Gesetz zur Förderung der Entgelttransparenz zwischen Frauen und Männern“, das sogenannte Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG) beschlossen. Es soll noch vor der Sommerpause in Kraft treten. Ziel ist es, mehr Lohngerechtigkeit zu schaffen, indem unmittelbare und mittelbare Entgeltdiskriminierung wegen des Geschlechts beseitigt wird. Im Wesentlichen will das Gesetz dies durch einen individuellen Auskunftsanspruch von Mitarbeitern in Betrieben mit mehr als 200 Beschäftigten sowie durch besondere Prüf- und Berichtspflichten in Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten erreichen.
Individueller Auskunftsanspruch
Dreh- und Angelpunkt des Entgelttransparenzgesetzes ist der individuelle Auskunftsanspruch des Mitarbeiters gegen seinen Arbeitgeber. Dieser Anspruch ermöglicht jedem Arbeitnehmer zu überprüfen, ob das Entgeltgleichheitsgebot eingehalten wird. Zugleich erhält der Mitarbeiter durch die Auskunft die erforderlichen Informationen, um seinen eventuellen Anspruch auf ein höheres, diskriminierungsfrei festgelegtes Entgelt in einem arbeitsgerichtlichen Verfahren durchsetzen zu können.
Folgende Voraussetzungen müssen für den Auskunftsanspruch erfüllt sein:
- Betrieb mit mehr als 200 Beschäftigten,
- Angabe einer gleichen oder gleichwertigen Tätigkeit (Vergleichstätigkeit), auf die sich sein Auskunftsverlangen bezieht,
- die angegebene Vergleichstätigkeit muss von mindestens sechs Beschäftigten des jeweils anderen Geschlechts ausgeübt werden,
- das Auskunftsverlangen muss sich auf das durchschnittliche monatliche Bruttogehalt (bezogen auf das Kalenderjahr) für die Vergleichstätigkeit beziehen. Vermutet der Beschäftigte die Diskriminierung bei konkreten Bestandteilen seiner Vergütung, kann er sein Auskunftsverlangen auf bis zu zwei einzelne Entgeltbestandteile beschränken. Darüber hinaus kann der Mitarbeiter verlangen, über die Kriterien und Verfahren der Entgeltfindung zu seiner eigenen Vergütung und zu der Vergütung der Vergleichstätigkeit andersgeschlechtlicher Kollegen informiert zu werden,
- das Auskunftsverlangen muss in Textform sein,
- der Beschäftigte darf das Auskunftsverlangen erstmals sechs Monate nach Inkrafttreten des Entgelttransparenzgesetzes stellen,
- wer in den ersten drei Jahren nach Inkrafttreten des Gesetzes Auskunft verlangt, kann dies erst nach drei Jahren wiederholen, später alle zwei Jahre. Eine Ausnahme gilt dann, wenn sich die Voraussetzungen wesentlich geändert haben, z. B. wegen eines Stellenwechsels oder bei einer Beförderung in den außertariflichen Bereich.
Hat der Mitarbeiter ein wirksames Auskunftsverlangen gestellt, müssen ihm folgende Informationen erteilt werden:
- Dem Beschäftigten muss das auf eine Vollzeitstelle hochgerechnete monatliche Durchschnittsentgelt (bezogen auf ein Kalenderjahr) mitgeteilt werden,
- Der Arbeitnehmer muss über das Verfahren und Kriterien der Entgeltfindung Auskunft geben. Wenn Arbeitgeber bisher die Vergütungen ohne Entgeltsystem festgelegt haben, werden sie zukünftig im Nachhinein nachvollziehen und diskriminierungsfrei begründen müssen, wie es zur konkreten Entgelthöhe kam.
Weitere Besonderheiten bei nicht tarifgebundenen/nicht tarifanwendenden Unternehmen
Bei tarifgebundenen und tarifanwendenden Arbeitgebern gibt es darüber hinaus keine gesetzlichen Auskunftspflichten bzw. Frist- und Formvorschriften. Anders ist dies bei nicht tarifgebundenen/nicht tarifanwendenden Arbeitgebern, für die § 15 EntgTranspG weitere gesetzliche Vorgaben enthält. Der Gesetzgeber begründet diese Unterscheidung damit, dass die Benachteiligungspotentiale bei individuellen oder frei verhandelten Entgeltregelungen höher sind als in gesetzlichen oder tarifvertraglichen Entgeltregelungen.
Konsequenzen unterlassener Auskunft
Kommt der Arbeitgeber dem Auskunftsverlangen des Arbeitnehmers nicht nach, hat dies für tarifgebundene und tarifanwendende Arbeitgeber keine gesetzlichen Folgen. Für nicht tarifgebundene/nicht tarifanwendende Arbeitgeber kommt es zu einer Beweislastumkehr, d. h. vor Gericht muss der Arbeitgeber beweisen, dass kein Verstoß gegen das Entgeltgleichheitsgebot vorliegt. Auch in einer gerichtlichen Auseinandersetzung bleibt ihm also nach wie vor die Möglichkeit, durch objektive Faktoren die umstrittene Entgeltregelung zu rechtfertigen und nachzuweisen, dass sie nichts mit einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts zu tun hat.
Verfahren und Zuständigkeiten
Grundsätzlich sieht das Gesetz vor, dass sich die Arbeitnehmer mit ihrem Auskunftsverlangen an den Betriebsrat wenden sollen. Dieser wiederum muss den Arbeitgeber in anonymisierter Form umfassend darüber informieren. Der Arbeitgeber muss dem Betriebsrat die notwendigen Informationen zur Beantwortung des Auskunftsverlangens geben und die Daten nach Geschlecht aufgeschlüsselt aufbereiten.
Der Betriebsrat kann aber auch verlangen, dass der Arbeitgeber die Auskunftsverpflichtung übernimmt. Der Arbeitgeber kann seinerseits die Erfüllung der Auskunftspflicht generell oder in bestimmten Fällen übernehmen, wenn er dies zuvor dem Betriebsrat erörtert hat. In jedem Fall müssen die Beschäftigten jeweils informiert werden, wer die Auskunft erteilt.
Gibt es keinen Betriebsrat, wenden die Mitarbeiter sich direkt an den Arbeitgeber. Der tarifgebundene Arbeitgeber kann sich mit Vertretern der Tarifvertragsparteien dahingehend einigen, dass diese die Beantwortung des Auskunftsverlangens übernehmen.
Betriebliches Prüfverfahren
Arbeitgeber mit in der Regel mehr als 500 Beschäftigten sind darüber hinaus aufgefordert, mithilfe betrieblicher Prüfverfahren ihre Entgeltregelungen und die verschiedenen gezahlten Entgeltbestandteile sowie deren Anwendung regelmäßig auf die Einhaltung des Entgeltgleichheitsgebots hin zu überprüfen. Dabei sind auch die Tätigkeiten und ihre Gleichwertigkeit in die Überprüfung einzubeziehen; bei gesetzlichen und tariflichen Entgeltregelungen entfällt diese Einbeziehung ersatzlos.
Das Prüfverfahren gilt als erfüllt, wenn ein herrschendes Unternehmen das Prüfverfahren für seine Tochtergesellschaften übernimmt. Ergeben sich aus einem betrieblichen Prüfungsverfahren Benachteiligungen wegen des Geschlechts in Bezug auf das Entgelt, ergreift der Arbeitgeber die geeigneten Maßnahmen zur Beseitigung. Das Gesetz enthält aber derzeit keine Sanktion für den Fall, dass der Arbeitgeber untätig bleibt.
Berichtspflichten
Abschließend müssen Arbeitgeber mit in der Regel mehr als 500 Beschäftigten, die zur Erstellung eines Lageberichts gemäß §§ 264, 289 HGB verpflichtet sind, berichten, ob und wie sie Frauen fördern und wie sie Lohngerechtigkeit sicherstellen. Der Bericht ist erstmals für das Jahr 2018 zu erstellen. Danach müssen tarifgebundene Unternehmen im Rhythmus von fünf Jahren, alle anderen großen Unternehmen im Rhythmus von drei Jahren über Lohngleichheit und Frauenförderung berichten.