Unternehmer denken immer wieder über eine Anwesenheitsprämie nach, die gestaffelt nach der Anzahl der Krankheitstage Mitarbeiter belohnt. Ist ein Mitarbeiter z.B. weniger als 5 Tage krank, erhält er 1.000 Euro brutto, bei 5 bis 10 Tagen 500 Euro usw.
Leider gibt es hierzu eine Regelung, die diese Ansätze sehr stark einschränkt oder sogar unterbindet. Grundlage dazu ist es § 4a EFZG. Darin heißt es, dass die Kürzung einer Sondervergütung für Zeiten der Arbeitsunfähigkeit infolge von Krankheit zwar denkbar ist, aber nur in bestimmten Grenzen: Die Kürzung für jeden Tag der Arbeitsunfähigkeit darf maximal ein Viertel des Arbeitsentgelts betragen, das im Jahresdurchschnitt auf einen Arbeitstag entfällt.
Bei einer zusätzlichen Prämie erfolgt aber ja eigentlich keine Kürzung, dies sieht das BAG aber anders: Eine Kürzungsvereinbarung liegt aus Sicht dessen auch vor, wenn ein Anspruch nur gestaffelt oder bei Überschreiten einer gewissen Grenze überhaupt nicht entsteht.
Auch die Kombination der Sonderzahlung mit einem Freiwilligkeitsvorbehalt für die Zukunft ändert daran nichts und wäre auch nur schwer umsetzbar. Besondere Schwierigkeit: Eine unwirksame Prämienklausel wird nicht auf das gesetzlich zulässige Maß reduziert, sondern zwingt den Arbeitgeber, eine solche Prämie voll zu zahlen, auch wenn der Arbeitnehmer beispielsweise 200 Tage krank war.
Auch ein Widerrufsvorbehalt ändert dies nicht und die Rechtsprechung hat für diese ja auch strenge Regeln aufgestellt, die sich fast jährlich noch komplexer darstellen.
Beispiel: Ein Arbeitnehmer erhält bei einer 5-Tage-Woche 3.000 Euro brutto monatlich sowie eine einmalige Anwesenheitsprämie in Höhe von 2.000 Euro brutto. Gemäß Arbeitsvertrag wird die Anwesenheitsprämie konform mit § 4a EFZG um krankheitsbedingte Fehltage gekürzt. Der Arbeitnehmer war im Jahr 2015 an 30 Arbeitstagen (von 250 Arbeitstagen) erkrankt.
Ohne Sonderzahlung beträgt das Jahresbruttoentgelt 36.000 Euro (12 x 3.000 Euro). Auf einen Arbeitstag entfallen 144 Euro (36.000 Euro : 250 Arbeitstage). 1/4 davon machen 36 Euro aus. Die Anwesenheitsprämie von 2.000 Euro darf also um höchstens 1.080 Euro (36 Euro x 30 Fehltage) gekürzt werden. Die Prämie könnte also erst ab 56 Krankheitstagen gekürzt werden.
Wichtig: § 4a EFZG geht vom Arbeitsentgelt aus, das im Jahresdurchschnitt auf einen Arbeitstag entfällt. Sonn- und Feiertagszuschläge, Leistungszulagen und Bonuszahlungen aus Zielvereinbarungen mit individuellen Leistungszielen zählen zum laufenden Entgelt, das somit auch nicht gekürzt werden kann.
Weiterhin gibt es neben der Krankheit weitere Fehlzeiten, bei denen eine Anwesenheitsprämie nicht gekürzt werden darf, der Arbeitnehmer aber nicht im Unternehmen ist. Keine Kürzung ist denkbar für
- Bezahlten Erholungsurlaub. Praxistipp: Eine Kürzung wegen unbezahlten Sonderurlaubs ist dagegen möglich, da hier kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung besteht.
- Mutterschutz
Möglichkeiten einer Anwesenheitsprämie
Sowohl die Anwesenheitsprämie als auch die Kürzung sollten am besten im Arbeitsvertrag geregelt werden. Dabei sollte immer genau dargestellt werden, was wann wie gekürzt wird, da sonst eine Klausel wegen Intransparenz unwirksam sein könnte.
Eine Musterformulierung könnte wie folgt lauten:
Zusätzlich zum monatlichen Grundgehalt erhält der/die Arbeitnehmer/-in für das laufende Kalenderjahr eine Anwesenheitsprämie in Höhe von bis zu … Euro brutto.
Die Anwesenheitsprämie wird für jeden Tag der Arbeitsunfähigkeit aufgrund Krankheit um 1/4 desjenigen Bruttoarbeitsentgelts gekürzt, das im Jahresdurchschnitt auf einen Arbeitstag entfällt.
Für die Dauer berechtigter Fehlzeiten des Arbeitnehmers/der Arbeitnehmerin ohne Anspruch auf Entgeltfortzahlung (insbesondere unbezahlter Sonderurlaub, Streik) wird die Anwesenheitsprämie jeweils um dasjenige Bruttoarbeitsentgelt gekürzt, das im Jahresdurchschnitt auf einen Arbeitstag entfällt. Gleiches gilt für den Fall unberechtigter Fehlzeiten.
Ruht das Arbeitsverhältnis während des gesamten Kalenderjahrs aufgrund von Elternzeit o. Ä., entsteht kein Anspruch auf Zahlung der Anwesenheitsprämie. Ruht das Arbeitsverhältnis nicht das gesamte Kalenderjahr, wird die Anwesenheitsprämie jeweils um 1/12 pro vollem Kalendermonat Fehlzeit gekürzt.
Die Anwesenheitsprämie wird im … [Monat] des Folgejahrs berechnet und ausgezahlt. Bei unterjährigem Ein- oder Austritt erfolgt eine anteilige Berechnung. Im Austrittsfall erfolgt die Auszahlung mit der letzten Abrechnung.
Wichtig: Der Arbeitgeber kann über die Einführung einer Anwesenheitsprämie frei entscheiden. Der Betriebsrat hat hier kein Mitbestimmungsrecht. Bei der Art der Ausgestaltung wiederrum muss der Betriebsrat beteiligt werden.
PRAXISHINWEISE: Aufgrund der eingeschränkten Kürzungsmöglichkeit im Krankheitsfall ist die Anwesenheitsprämie kaum ein Anreiz für Arbeitnehmer, ihre Fehlzeiten im Betrieb zu reduzieren. Arbeitgeber können neben sonstigen Leistungsprämien, die nicht auf die Anwesenheit direkt abheben, ein 13. Monatsgehalt gewähren, dass nur für Zeiten der Entgeltzahlung gezahlt wird. Erhält der Arbeitnehmer bei einer länger als sechswöchigen Erkrankung nur noch Krankengeld (oder aus anderen Gründen keinen Lohn), kürzt sich der Anspruch auf das 13. Monatsgehalt, ohne dass eine Kürzung vereinbart werden müsste.