Als Ergebnis der Überlegungen des Koalitionsausschusses vom 3. September 2022 wurde ein drittes Steuerentlastungsgesetz geschnürt, das am 16. September 2022 Freigabe fand und verschiedene Bereiche der Arbeitnehmer und Unternehmen umfasst, die wir nachfolgend auflisten.
Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine sorgt weltweit für steigende Energie- und Nahrungsmittelpreise. Die damit verbundene Erhöhung der Lebenshaltungskosten wird vermehrt spürbar, so dass die bereits beschlossenen Entlastungsmaßnahmen in Höhe von 30 Milliarden Euro nur einen Teil der steigenden Energiekosten abfedern konnten: so z.B. durch den 100-Euro-Bonus pro Kind sowie den Sofortzuschlag in Höhe von 20 Euro monatlich für Kinder in der Grundsicherung, die im September zur Auszahlung anstehende Energiepreispauschale in Höhe von 300 Euro, die Abschaffung der EEG-Umlage im Strombereich, einen höheren Arbeitnehmerpauschbetrag in der Steuer, eine höhere Fernpendlerpauschale, Heizkostenzuschüsse sowie das 9-Euro-Ticket und die niedrigere Energiesteuer auf Kraftstoffe.
Mittel- und langfristig wird sich die Lage nach Meinung der Experten entspannen, wenn mehr Alternativen zu russischem Gas zur Verfügung stehen.
Die Bundesregierung wird daher ihren Weg fortsetzen, weggefallene Gasmengen durch neue Quellen zu ersetzen. Zudem werden in Europa aktuell verschiedene Preisdämpfungsmodelle für den Wärmemarkt etabliert oder diskutiert. Es wird daher eine Expertenkommission mit Vertretern u.a. aus Wissenschaft, Wirtschaft, Gewerkschaften und Verbraucherschutz eingesetzt, die zeitnah klären soll, ob und wenn ja wie ein solches Modell in Deutschland oder Europa realisierbar ist.
Trotzdem werden in den nächsten Monaten viele Arbeitnehmer und Betriebe dennoch von den gestiegenen Energiepreisen getroffen, wenn Energieversorger ihre Preise für Gas und Strom teilweise stark erhöhen werden.
Die Koalition hat sich daher auf weitere Maßnahmen zur Entlastung von Menschen und Unternehmen verständigt. Die neuen Maßnahmen werden ein Gesamtvolumen von über 65 Milliarden Euro umfassen. Sie entlasten alle Haushalte — auch Rentner, Studierende, Fachschüler sowie Auszubildende. Damit haben die zwei bisherigen Entlastungspakete und die neuen Maßnahmen im Entlastungspaket III zusammen ein Gesamtvolumen von über 95 Milliarden Euro. Die Bundesregierung hat einen Haushaltsentwurf und einen Finanzplan in das parlamentarische Verfahren gegeben, die für die Jahre ab 2023 ohne die Nutzung der Ausnahmeregelung der Schuldenbremse auskommen. Die begrenzten finanziellen Spielräume des Bundeshaushalts und des geltenden Finanzplans erfordern erhebliche Anstrengungen aller drei Koalitionspartner und aller Ressorts.
Folgende Maßnahmen sind insbesondere für Arbeitnehmer und Unternehmen in Planung und am 16.09. verabschiedet worden:
Konzertierte Aktion mit bis zu 3.000 Euro Einmalbonus steuer- und sv-frei
Die Bundesregierung diskutiert im Rahmen der „Konzertierten Aktion“ gemeinsam mit den Sozialpartnern, wie mit den gestiegenen Preisen und den damit einhergehenden realen Einkommensverlusten der Arbeitnehmer umgegangen werden kann. Die Sozialpartner entwickeln praxisnahe Lösungen. Dies gilt nicht nur für die tarifgebundenen Unternehmen: Der Bund ist generell bereit, bei zusätzlichen Zahlungen der Unternehmen an ihre Beschäftigten einen Betrag von bis zu 3.000 Euro von der Steuer und den Sozialversicherungsabgaben zu befreien. Diese Einmalzahlungen sollen eine entsprechende Wirkung entfalten und damit eventuell die Lohn-Preis-Spirale nicht weiter nach oben treiben.
Abbau der Kalten Progression
Um eine Steuererhöhung aufgrund der Inflation zu verhindern („kalte Progression“), werden die Tarifeckwerte im Einkommenssteuertarif angepasst. Davon profitieren ab dem 1. Januar 2023 rund 48 Millionen steuerpflichtige Arbeitnehmer, Rentner, Selbstständige sowie Unternehmer. Sobald im Herbst Progressionsbericht und Existenzminimumbericht vorliegen, werden die Werte angepasst.
Anhebung Midi-Job-Grenze auf 2.000 Euro
Für Arbeitnehmer mit geringen monatlichen Einkommen ist eine Entlastung bei den Beiträgen zur Sozialversicherung (Kranken-, Arbeitslosen- und Rentenversicherung) besonders hilfreich. Schon bisher ist gesetzlich geregelt, dass zum 1. Oktober 2022 die Höchstgrenze für eine Beschäftigung im Übergangsbereich (Midi-Job) von 1.300 Euro auf 1.600 Euro angehoben wird. Diese Höchstgrenze soll ab dem 01.01.2023 auf monatlich 2.000 Euro angehoben werden. Dadurch werden die Arbeitnehmer in diesem Lohnbereich um rund 1,3 Milliarden Euro jährlich entlastet, da sie deutlich weniger Beiträge für ihre Sozialversicherung zahlen.
Entfristung sowie Verbesserung der Home-Office Pauschale
Die bis Ende 2022 bereits verlängerte Home-Office Pauschale wird entfristet und pro Homeoffice-Tag wird ein Werbungskostenabzug bei der Einkommensteuer von 5 Euro, maximal 600 Euro pro Jahr möglich. Die Modernisierung der bisherigen Regelungen zum häuslichen Arbeitszimmer entlastet gerade auch Familien mit kleineren Wohnungen, die nicht über ein separates Arbeitszimmer verfügen, das bisher Voraussetzung für einen Steuerabzug ist.
Bundesweites vergünstigtes Ticket im Öffentlichen Nahverkehr
Das zeitlich befristete 9-Euro-Ticket für die Monate Juni bis September war ein großer Erfolg. Es wurde von den Menschen gut angenommen und hat die Ausgaben für Mobilität deutlich gedämpft. Daher soll ein bundesweites Nahverkehrsticket eingeführt werden. Die Bundesregierung ist bereit, den Ländern für ein bundesweites Nahverkehrsticket jährlich 1,5 Milliarden Euro zusätzlich zur Verfügung zu stellen, wenn die Länder mindestens den gleichen Betrag zur Verfügung stellen. Die Verkehrsminister von Bund und Ländern erarbeiten zeitnah ein gemeinsames Konzept für ein bundesweit nutzbares, digital buchbares Abo-Ticket. Es werden dazu verschiedene Modelle diskutiert. Von verschiedenen Verbänden und aus der Wissenschaft sind Vorschläge gemacht worden, die bei einem entsprechenden Mitteleinsatz zu Preisen von 49 bis 69 Euro pro Monat führen würden. Ziel ist ein preislich attraktives Ticket in diesem Rahmen.
Verlängerung Kurzarbeitergeld Die Sonderregelungen für das Kurzarbeitergeld werden über den 30. September 2022 hinaus verlängert. Damit wird Sicherheit für Unternehmen und Beschäftigte geschaffen.
Kindergeld
Um Familien besonders zu unterstützen, wird das Kindergeld über das verfassungsrechtlich erforderliche Maß hinaus erhöht. Die Erhöhung erfolgt bereits zum 1. Januar 2023 in einem Schritt für die Jahre 2023 und 2024. Damit wird das Kindergeld ab dem 1. Januar 2023 um 18 Euro monatlich für das erste und zweite Kind angehoben. Für eine Familie mit zwei Kindern bedeutet das 432 Euro jährlich mehr für die kommenden zwei Jahre.
Der Höchstbetrag des Kinderzuschlages wurde zum 1. Juli 2022 auf 229 Euro monatlich je Kind erhöht. Um die zusätzlichen Belastungen dieser Familien aufgrund der Inflation abzumildern, wird der Höchstbetrag des Kinderzuschlages ab dem 1. Januar 2023 nochmals erhöht und auf 250 Euro monatlich angehoben. Dies gilt bis zur Einführung der Kindergrundsicherung.
Abschaffung der sog. Doppelbesteuerung (Rente)
Steuerzahler sollen bereits ab dem 1. Januar 2023 ihre Rentenbeiträge voll absetzen können. Dies geschieht damit zwei Jahre früher als ursprünglich geplant. Künftig werden Renten in der Auszahlungsphase im Alter besteuert. Als Ausgleich können während der Erwerbstätigkeit die Aufwendungen für die Altersvorsorge steuerlich geltend gemacht werden. Sie reduzieren so die Steuerzahlungen der Beschäftigten. Die vom Bundesverfassungsgericht geforderte Umstellung umfasst Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung, der landwirtschaftlichen Alterskasse, den berufsständischen Versorgungseinrichtungen und aus Basisrentenverträgen, sog. Rürup – Renten. Durch das Vorziehen der vollen Abziehbarkeit der Rentenbeiträge werden die Arbeitnehmer im Jahr 2023 um rund 3,2 Milliarden Euro und 2024 um 1,8 Milliarden Euro entlastet.
Einmalzahlung für Rentner
Die Energiepreispauschale von 300 Euro, die im Regelfall im September 2022 an die Arbeitnehmer ausgezahlt wird, wird zum 1. Dezember 2022 auch an Rentner ausgezahlt. Die Energiepreispauschale wird einmalig ausgezahlt und ist einkommen steuerpflichtig —je niedrigerer die Rente, umso wirksamer ist die absolute Entlastung. Die erfolgt über die Deutsche Rentenversicherung. Es wird sichergestellt, dass keine Doppelzahlung erfolgt. Der Bund wird eine entsprechende Einmalzahlung auch für die Versorgungsempfänger des Bundes leisten.
Entlastung Studierende
Auch Studierende und sowie Fachschülerinnen und Fachschüler sind von den steigenden Energiekosten betroffen. Nach dem Heizkostenzuschuss für BäföG-Empfänger sollen jetzt alle Studenten sowie Fachschüler eine Einmalzahlung in Höhe von 200 Euro erhalten. Der Bund trägt die Kosten. Er wird mit den Ländern abstimmen, wie die Auszahlung schnell und unbürokratisch vor Ort erfolgen kann.
Ausweitung des Wohngeldanspruchs, Einführung einer Heizkosten- und Klimakomponente
Zum 1. Januar 2023 wird das Wohngeld reformiert. Es wird eine dauerhafte Klimakomponente und eine dauerhafte Heizkostenkomponente enthalten, um die steigenden Energiepreise stärker abzufedern. Zudem wird der Kreis der Wohngeldberechtigten auf zwei Millionen erweitert, sodass mehr Menschen in Zeiten stark steigender Energiekosten anspruchsberechtigt werden.
Darüber hinaus soll als kurzfristige Maßnahme für die Heizperiode September 2022 bis Dezember 2022 einmalig ein Heizkostenzuschuss II an die Bezieherinnen und Bezieher von Wohngeld gezahlt werden — danach wird er für die Wohngeldberechtigten dauerhaft in das Wohngeld integriert. Er beträgt einmalig 415 Euro für einen 1-Personen-Haushalt (540 Euro für zwei Personen; für jede weitere Person zusätzliche 100 Euro). Die anspruchsberechtigten Menschen benötigen das Wohngeld angesichts der stark gestiegenen Preise schnell. Bereits jetzt haben viele Kommunen eine hohe Anzahl an Anträgen abzuarbeiten, sodass die Reform zügig umgesetzt und alle Möglichkeiten der Beschleunigung von Durchführungswegen bei der Antragstellung ausgeschöpft werden sollen. Dazu können auch unbürokratische Abschlagszahlungen beitragen.
Flankierende zivilrechtliche Maßnahmen
Die aktuelle Situation stellt Mieter sowie Unternehmen in Deutschland vor die große Herausforderung, sich schnell an die hohen Energiepreise anpassen zu müssen. Es wird dafür Sorge getragen, dass die Mieter, die die Steigerungen ihrer Betriebskostenvorauszahlungen kurzfristig finanziell überfordern, durch die Regelungen des sozialen Mietrechts angemessen geschützt werden.
Wenn einzelne Verbraucher trotz Inanspruchnahme aller Unterstützungsleistungen sowie vertraglichen Finanzierungsmöglichkeiten in der aktuellen Situation ihre Kosten nicht begleichen können, sollen Sperrungen von Strom und Gas durch Abwendungsvereinbarungen verhindert werden. Das Energierecht wird entsprechend angepasst.
Einführung Bürgergeld
Das Arbeitslosengeld II und Sozialgeld werden zum 1. Januar 2023 durch das neue Bürgergeld abgelöst, das die Würde des Einzelnen achtet und gesellschaftliche Teilhabe besser fördert. Die anhaltenden Preissteigerungen insbesondere in den Bereichen Strom und Lebensmittel stellen für Grundsicherungsempfänger, eine existenzielle Belastung dar. Gerade in Zeiten hoher Teuerung ist es wichtig, das Existenzminimum abzusichern und soziale Teilhabe zu ermöglichen.
Der Anpassungszeitraum der jährlichen Erhöhung beim Bürgergeld wird bei im Übrigen unveränderter Systematik so geändert, dass jeweils bereits die zu erwartende regelbedarfsrelevante Inflation im Jahr der Anpassung miteinbezogen wird. So wird die Inflation künftig besser und schneller berücksichtigt. Dies beginnt am 1. Januar 2023 zum Start des Bürgergelds und führt zu einem Erhöhungsschritt auf etwa 500 Euro.
Umsatzsteuer in der Gastronomie bleibt bei 7 Prozent
Die Absenkung der Umsatzsteuer für Speisen in der Gastronomie auf 7 Prozent wird verlängert, um die Menschen generell zu entlasten und die Inflation nicht weiter zu befeuern.
Senkung der Umsatzsteuer für Gas auf 7 Prozent
Als Ausgleich für die neue Gasbeschaffungsumlage wird die Umsatzsteuer auf den gesamten Gasverbrauch reduziert. Zeitlich bis Ende März 2024 befristet wird für den Gasverbrauch statt des normalen Steuersatzes von 19 Prozent der ermäßigte Steuersatz von 7 Prozent gelten. Damit werden die Verbraucher spürbar entlastet— und der Staat „bereichert“ sich nicht an den spürbar steigenden Gaspreisen. Geringere Einkommen zahlen einen relativ höheren Verbraucherinnen und Anteil an Heizkosten und werden durch diese Steuersenkung relativ zum Einkommen überproportional entlastet. Wenn die Senkung zum 1. Oktober 2022 in Kraft tritt, ist damit zu rechnen, dass sich diese Maßnahme direkt inflationshemmend auswirken wird.