Gesetz zur Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung

Für Branchen mit besonders großem Bedarf wird erstmals eine kontingentierte kurzzeitige Beschäf­tigung geschaffen. Die jeweilige Person darf unab­hängig von einer Qualifikation 8 Monate in Deutschland arbeiten. Voraussetzung ist ein tarif­gebundener Arbeitgeber. Die Beschäftigung wird vom 1. Tag an sozialversicherungspflichtig sein.

Gesetzlich wurde klargestellt, dass diese Bezeich­nung nichts mit der als kurzfristig geringfügigen Beschäftigung und der SV-Freiheit in der Renten-, Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung zu tun hat.

Der Arbeitgeber ist verpflichtet, die Arbeitserlaub­nis oder den Aufenthaltstitel für die Dauer der Be­schäftigung aufzubewahren. Zum Zwecke der Be­triebsprüfung sind diese über diesen Zeitraum hin­aus als Teil der Entgeltunterlagen aufzubewahren.

Die Regelungen werden durch eine „Verordnung zur Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwande­rung“ flankiert, die vor allem auf die Gewinnung von berufserfahrenen Fachkräften und Arbeitskräf­ten sowie die Beschleunigungen von Visaverfahren abzielt.

Das sind die wichtigsten Neuerungen in den drei Stufen

Die Regelungen aus dem Gesetz zur Weiterent­wicklung der Fachkräfteeinwanderung treten in drei Stufen in Kraft. Die wichtigsten Neuerungen sind:

1. Stufe: Regelungen zur Blauen Karte EU seit 18.11.2023

Die erste der drei Stufen gilt seit 18.11.2023 und befasst sich mit den Regelungen zur Blauen Karte EU.

Seit 18.11.2023 gilt eine neue, abgesenkte Ge­haltsschwelle für die Erteilung der Blauen Karte EU. Es gilt ein Mindestgehalt von

  • 45,3 Prozent der jährlichen Beitragsbemes­sungsgrenze in der Rentenversicherung (BBG RV, im Jahr 2024: 41.041,80 Euro) für die Engpassberufe, sowie
  • 50 Prozent (im Jahr 2024: 45.300 Euro) für alle anderen Berufe.

Daneben wurde die Liste der Engpassberufe erwei­tert und der Geltungsbereich der niedrigeren Ge­haltsschwelle auf Berufsanfänger ausgeweitet, also Hochschulabsolventen, deren Abschluss maximal drei Jahre vor Beantragung der Blauen Karte EU er­worben wurde

Außerdem werden Hochschulabschlüsse gleichge­stellt mit einem gleichwertigen, tertiären Bildungs­programm, sodass die Blaue Karte EU nicht mehr nur für Hochschulabsolventen in Betracht kommt. Die Ausländerbehörden entscheiden darüber, wann ein tertiäres Bildungsprogramm gleichwertig ist. Konkrete Kriterien für diese Entscheidung wurden bisher offengelassen. Das Bildungsprogramm muss jedoch mindestens eine dreijährige Ausbildung ent­halten und einem festgelegten Qualitätsstandard in Deutschland entsprechen.

Inhaber der Blauen Karte EU können zudem ab so­fort leichter ihren Arbeitsplatz wechseln. Nur in den ersten zwölf Monaten ab Erhalt der Karte besteht eine Informationspflicht gegenüber der zuständi­gen Behörde bezüglich des Arbeitsplatzwechsels. Diese entfällt anschließend.

Weitere Änderungen betreffen die kurz- und lang­fristige Mobilität. So kann der Inhaber einer Blauen Karte EU eines anderen Mitgliedstaats visumfrei nach Deutschland einreisen und sich für 90 Tage innerhalb eines Zeitraums von 180 Tagen aufhal­ten, sofern dies zum Zweck der Ausübung einer ge­schäftlichen Tätigkeit erfolgt (§ 18h AufenthG). Der Aufenthalt muss aber im Zusammenhang mit der Beschäftigung entsprechend der Blauen Karte EU stehen, bspw. in Form von Geschäftssitzungen, Konferenzen, Seminaren, etc.

Außerdem kann der Inhaber einer Blauen Karte EU, die ihm in einem anderem Mitgliedstaat erteilt wurde und die er seit mindestens zwölf Monaten besitzt, ohne Visum nach Deutschland einreisen und unter erleichterten Voraussetzungen vor Ort die Blaue Karte EU beantragen (§ 18i AufenthG).

Es besteht noch keine hinreichende Sicherheit, ob diese Erleichterungen das Antragsverfahren be­schleunigen. In Einzelfällen kann es also sinnvoll sein, bereits aus dem Ausland ein nationales Visum zu beantragen, sodass die Arbeitserlaubnis spätes­tens bei der Einreise vorliegt.

2. Stufe: Regelungen zur Beschäftigung und Anerkennung seit 01.03.2024

Die zweite Stufe des Gesetzes ist am 01.03.2024 in Kraft getreten. Sie enthält insbesondere Rege­lungen zur Anerkennung und Beschäftigung.

Mit der Anerkennungspartnerschaft können Perso­nen aus Drittstaaten auch ohne vorherige Anerken­nung einreisen und das Anerkennungsverfahren komplett in Deutschland durchführen. Die Aner­kennungspartnerschaft bietet die Möglichkeit, ei­nen Aufenthaltstitel für zunächst ein Jahr (maxi­male Gesamtdauer drei Jahre) zur Beschäftigung während des Durchlaufens eines begleitenden be­ruflichen Anerkennungsverfahrens zu erlangen. Der Antragsteller muss eine bereits abgeschlos­sene Qualifikation vorweisen können, die nach sei­ner Einreise in Deutschland anerkannt werden soll. Dieses Verfahren wird somit erst nach der Einreise durchgeführt und der Arbeitgeber sagt dem An­tragsteller seine Unterstützung dabei zu.

Der Aufenthaltstitel für das Absolvieren von Quali­fizierungsmaßnahmen in Deutschland, die die Gleichwertigkeit der auswärtigen Qualifikation mit deutschen Vorgaben erreichen soll, wird zunächst für bis zu 24 Monate erteilt (Höchstaufenthalts­dauer: drei Jahre).

Eine von der Qualifizierungsmaßnahme unabhän­gige Beschäftigung kann bis zu 20 Stunden pro Wo­che ausgeübt werden.

Außerdem besteht in Fällen einer Qualifikations­analyse des Ausländers die Möglichkeit, einen Auf­enthaltstitel von bis zu sechs Monaten zu erhalten (§16d Abs. 6 AufenthG). In der Regel sind deutsche Sprachkenntnisse auf dem Niveau A2 (GER) aus­reichend.

Bereits seit November 2023 konnten IT-Spezialis-ten als nicht-akademische Fachkraft ohne formale Qualifikation einen Aufenthaltstitel erlangen. Es reichte die einschlägige Berufserfahrung von min­destens drei Jahren im IT-Bereich (§ 18g Abs. 2 AufenthG). Ab 01.03.2024 ist

  • eine Berufserfahrung von zwei Jahren ausrei­chend sowie
  • ein Gehalt von 45,0 Prozent der BBG RV (2024: 40.770,00 Euro).

Darüber hinaus wurde eine solche Sonderregelung bei berufspraktischer Erfahrung für alle nicht-reg­lementierten Berufe in allen Branchen seit dem 01.03.2024 eingeführt (§ 6 BeschV). Dazu muss der Antragsteller

  • eine in den letzten fünf Jahren erworbene, mindestens zweijährige Berufserfahrung,
  • ein Mindestgehalt von 45,0 Prozent der BBG RV (2024: 40.770,00 Euro) sowie
  • eine(n) im Ausland anerkannte Berufsqualifi­kation oder Hochschulabschluss vorweisen können.

Zudem ist die Einstellung von kurzzeitig Beschäf­tigten möglich, um Engpässe in Spitzenzeiten ab­zufangen. Dies betrifft jede inländische Beschäfti­gung von regelmäßig mindestens 30 Stunden wö­chentlich. Für diese Art der Beschäftigung ist weder eine Berufsausbildung noch ein Studium erforder­lich.

Ausländische Fachkräfte, die eine Aufenthaltser­laubnis nach § 18a, § 18b, § 18d oder §18g Auf-enthG besitzen, erhalten zudem nun schneller die Niederlassungserlaubnis in Deutschland.

Die Niederlassungserlaubnis kann

  • ohne inländische Berufsausbildung oder ein Studium in Deutschland nach drei Jahren oder
  • für Inhaber der Blauen Karte EU bereits nach 27 Monaten erteilt werden oder
  • bei nachgewiesenen Deutschkenntnisse von mindestens B1 (GER) sogar nach 21 Monaten.

3. Stufe: Chancenkarte zur Jobsuche und Westbalkanregelung ab dem 01.06.2024

Am 01.06.2024 wird die Chancenkarte zur Jobsu­che eingeführt und das Kontingent der Westbalkan-regelung erweitert. Für den Aufenthalt zur Jobsuche wird eine Chan­cenkarte, welche die Möglichkeit zur Probearbeit oder Nebenbeschäftigung im Umfang von 20 Stun­den in der Woche bietet, eingeführt. In Betracht für eine Chancenkarte kommen zum einen Drittstaa-tenangehörige, die eine volle Gleichwertigkeit der ausländischen Qualifikation nachweisen (Fach­kräfte nach § 18 Abs. 3 AufenthG). Alle anderen können bei Nachweis eines ausländischen Hoch­schulabschlusses, eines mindestens zweijährigen Berufsabschlusses (jeweils im Ausland anerkannt) oder einem von einer deutschen Handelskammer erteilten Berufsabschluss die Chancenkarte bekommen, wenn sie zudem entsprechende deutsche (Ni­veau A1 GER) oder englische (Niveau B2 GER) Sprachkenntnisse haben.

Für den Erhalt der Chancenkarte müssen auf Basis eines Punktesystems mindestes sechs Punkte er­reicht werden. Punkte gibt es beispielsweise für die Anerkennung der Qualifikation in Deutschland, Be­rufserfahrung, Sprachkenntnisse, Alter und Deutschlandbezug sowie das Potenzial des mitzie­henden Ehe- oder Lebenspartners selbst Punkte zu sammeln.

Die Karte wird für maximal ein Jahr erteilt, solange der Lebensunterhalt für diese Zeit gesichert ist, und kann um weitere zwei Jahre verlängert wer­den, wenn ein Angebot für eine qualifizierte Be­schäftigung vorliegt.

Durch die Westbalkanregelung wird Staatsangehö­rigen von Albanien, Bosnien und Herzegowina, Kosovo, Montenegro, Nordmazedonien und Serbien der Arbeitsmarktzugang für jede Art der Beschäfti­gung in nicht-reglementierten Berufen eröffnet. Damit wird eine ursprünglich befristete Regelung entfristet. Das Kontingent jährlicher Zustimmun­gen der Bundesagentur für Arbeit beträgt 50.000.

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