Die Entgeltumwandlung bzw. die Neudefinition von Entgeltbestandteilen war bis zur Einführung des § 8 Abs. 4 EStG durch das JStG 2020 ein beliebtes und schließlich vom BFH abgesegnetes Instrument, den Nettolohn zu optimieren. Auf Basis des BMF-Schreibens vom 05.02.2020 hat die Finanzverwaltung das ab dem 01.01.2020 geltende Gesetz im Wesentlichen auch rückwirkend in offenen Fällen angewendet. Jetzt bestätigt das BMF, dass es bis zum 31.12.2019 bei der steuerzahlerfreundlichen BFH-Rechtsprechung bleibt.
Erst gestattet der BFH die Umwandlung, indem er von seiner bisherigen Rechtsprechung abweicht und das Kriterium „zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn“ neu definiert.
Dann erlässt die Finanzverwaltung am 05.02.2020 ein BMF-Schreiben, wonach das BFH-Urteil „zur Gewährleistung der Kontinuität der Rechtsanwendung“ im Wesentlichen in allen offenen Fällen nicht angewendet wird. Es folgt im Anschluss mit dem Jahressteuergesetz 2020 die Einführung des § 8 Abs. 4 EStG. Darin werden die bereits im BMF-Schreiben enthaltenen Kriterien der „neuen“ Zusätzlichkeit ins Gesetz aufgenommen ‒ gültig rückwirkend ab dem 01.01.2020. Doch nun rudert die Finanzverwaltung zurück. Sie wendet die Grundsätze der BFH-Rechtsprechung bis zum 31.12.2019 an (BMF, Schreiben vom 05.01.2022).
Die Änderungen der Zusätzlichkeit gelten nicht nur im Bereich der Sachbezüge. Sie sind auch im Bereich der Lohnsteuer von immenser Bedeutung.
Praxistipp: Stützt der Prüfer bei laufenden Lohnsteueraußenprüfungen seine Feststellungen auf den § 8 Abs. 4 EStG und wendet diesen für Besteuerungszeiträume vor dem 01.01.2020 an, sollte er auf das neue BMF-Schreiben hingewiesen werden. Seine Feststellungen sind nicht mehr haltbar.
Aus dem neuen BMF-Schreiben und der Rückkehr zur BFH-Rechtsprechung folgt, dass die Zusätzlichkeitsvoraussetzung bereits dann erfüllt ist, wenn der verwendungsfreie Arbeitslohn zugunsten verwendungs- oder zweckgebundener Leistungen des Arbeitgebers arbeitsrechtlich herabgesetzt worden ist. Damit unterliegt ein Lohnformwechsel erheblich geringeren Hürden.
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Arbeitnehmer Anton erhält einen regulären ‒ nicht tarifgebundenen ‒ Bruttoarbeitslohn von 3.000 Euro. Er vereinbart mit seinem Arbeitgeber im Jahr 2019, dass sein Arbeitslohn um 200 Euro reduziert wird. Im Gegenzug erstattet der Arbeitgeber die anfallenden Kinderbetreuungskosten bzw. leistet anderweitige steuerbegünstigte Zahlungen. Der Arbeitsvertrag wird entsprechend angepasst.
Lösung: Verwendungsfreier Arbeitslohn wird zugunsten einer zweckgebundenen Leistung arbeitsrechtlich herabgesetzt; es liegt ein begünstigter Lohnformwechsel vor. Die erstatteten Kinderbetreuungskosten sind steuerfrei nach § 3 Nr. 33 EStG. Bei entsprechender Vereinbarung ab dem 01.01.2020 würde sich hingegen weiterhin ein steuerpflichtiger Bruttoarbeitslohn von 3.000 Euro ergeben. |
Lediglich wenn der Arbeitslohn beispielsweise tarifgebunden ist, kommt dies nicht in Betracht. Denn würde der tarifgebundene verwendungsfreie Arbeitslohn zugunsten einer anderen steuerbegünstigten verwendungs- oder zweckgebundenen Leistung herabgesetzt oder umgewandelt (z. B. Erstattung/Übernahme von Kinderbetreuungskosten nach § 3 Nr. 33 EStG), würde der tarifliche Arbeitslohn nach Wegfall der steuerbegünstigten Leistungen wieder aufleben.
Ab dem 01.01.2020 sind die Regelungen des neuen § 8 Abs. 4 EStG unumstößlich zu beachten. Danach werden Leistungen des Arbeitgebers nur dann zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn erbracht, wenn
- 1. die Leistung nicht auf den Anspruch auf Arbeitslohn angerechnet,
- 2. der Anspruch auf Arbeitslohn nicht zugunsten der Leistung herabgesetzt,
- 3. die verwendungs- oder zweckgebundene Leistung nicht anstelle einer bereits vereinbarten künftigen Erhöhung des Arbeitslohns gewährt und
- 4. bei Wegfall der Leistung der Arbeitslohn nicht erhöht wird.
Dadurch sollen nur „echte“ Zusatzleistungen begünstigt sein. Diese Voraussetzungen gelten dabei unabhängig von der Art der Lohnbindung und damit auch bei tarifgebundenem Arbeitslohn oder wenn sich der Arbeitslohn aus einem Arbeitsvertrag oder einer Betriebsvereinbarung ergeben sollte. Dies bietet ‒ bei allem Ärger ‒ zumindest den Vorteil, dass das neue Zusätzlichkeitskriterium auch durch Tarif- oder Betriebsvereinbarung erfüllt werden kann. Wird beispielsweise eine Betriebsvereinbarung dahingehend geändert, dass künftig neben dem tarifvertraglichen Arbeitslohn die Kinderbetreuungskosten nach Maßgabe des § 3 Nr. 33 EStG unter Vorlage entsprechender Nachweise erstattet werden, ist dies steuerbegünstigt zulässig.
Von der Zusätzlichkeit unberührt bleibt die Möglichkeit, den Arbeitnehmern zur privaten Nutzung Datenverarbeitungs- und Telekommunikationsgeräte zu überlassen (z. B. Smartphone, Tablet). Hier kann der Arbeitnehmer zugunsten eines Smartphones auf einen Teil seines Bruttoarbeitslohns verzichten. Denn für das Smartphone gilt die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 45 EStG. Und § 3 Nr. 45 EStG ist auch ohne „Zusätzlichkeit“ anwendbar.