Entsendungsanträge – kleine Fehler, große Folgen

Egal ob Dienstreise, kurz- oder langfristige Entsendung: Geht es ins Ausland, dann hat dieser Schritt sowohl für den Arbeitgeber, als auch für die Mitarbeiter i.d.R. sozialversicherungsrechtliche Auswirkungen. Meist ist das Ziel, die Ansprüche der entsandten Mitarbeiter zu wahren und zugleich die Haftungsrisiken des Unternehmens auszuschließen. Um dies zu realisieren, müssen Unternehmen bei den zuständigen Behörden die richtigen Anträge stellen.

Aktuell ist jedoch laut Aussagen jeder zweite der bei ihnen eingereichten Anträge zu Entsendungen fehlerhaft oder unvollständig. Die Konsequenz: Auch die daraus resultierenden Prüfbescheide sind fehlerhaft. Für Unternehmen hat dies die unangenehme Folge, dass diese trotz der falschen Regelungsinhalte rechtlich bindend sind. Im schlimmsten Fall sind somit nicht nur die Weichen für ein Scheitern des Auslandeinsatzes gestellt, sondern ermöglichen auch betroffenen Mitarbeiter Klagen.

Dass Anträge fehlerhaft bearbeitet sind, liegt bei Weitem nicht immer an den Antragstellern, also den Unternehmen – auch die Behörden urteilen manchmal falsch oder ziehen aus gemachten Angaben falsche Schlüsse. Somit kann selbst nur ein einziges falsch gesetztes Häkchen in einem offiziellen Formular enorme Auswirkungen auf eine Auslandsentsendung haben. Drei reale Fälle verdeutlichen dies:

Meldepflicht bei Auslandentsendungen
Wird ein Mitarbeiter entsandt, ändert sich in der Regel sein Sozialversicherungsstatus. Unternehmen sind laut §28a Abs. 1 SGB IV dazu verpflichtet, dies zu melden.
Im Einzelnen ist der Arbeitgeber oder eine anderer Meldepflichtiger verpflichtet, der Einzugsstelle für jeden in der Kranken-, Pflege-, Rentenversicherung oder nach dem Recht der Arbeitsförderung kraft Gesetzes Versicherten eine Meldung zu erstatten, und zwar:

• Bei Beginn der versicherungspflichtigen Beschäftigung
• Bei Ende der versicherungspflichtigen Beschäftigung
• Bei Eintritt eines Insolvenzereignisses
• Bei Änderung in der Beitragspflicht

Fall 1: Entsendung nach China
Ein deutsches Maschinenbauunternehmen hatte 2011 einen Ingenieur in die chinesische Provinz Tianjin entsandt. Für die zuständige Personalerin war die Prüfung der Entsendung reine Routine und sie wusste, was zu tun war. Der Mitarbeiter wollte unbedingt im deutschen Sozialversicherungssystem verbleiben, um keinerlei Anwartschaftszeiten und Leistungsansprüche zu verlieren. Zwar konnte das Unternehmen ihm diesen Wunsch nicht für alle Sozialversicherungszweige erfüllen, aber immerhin hatte er dank des Sozialversicherungsabkommens zwischen China und Deutschland die Möglichkeit, in der deutschen Renten- und Arbeitslosenversicherung zu bleiben.

Ordnungsgemäß forderte die Personalerin bei der Krankenkasse des Mitarbeiters die Antragsformulare an, um die nötige Bescheinigung über die Weitergeltung der deutschen Sozialversicherungsvorschriften zu erhalten. Das Gesetz sieht vor, dass der zuständige Träger jeden Auslandseinsatz – sei er auch noch so kurz – grundsätzlich auf eine Entsendung hin prüfen muss. Das Unternehmen muss die dafür erforderlichen Angaben und Informationen zwingend einholen. Das bedeutet, dass Personaler diese Pflicht nicht etwa an den zu entsendenden Mitarbeiter delegieren dürfen. Tatsächlich geschieht dies in der Praxis aber häufig – und das, obwohl klar sein sollte, dass die Mitarbeiter die im Antrag gestellten Fragen überhaupt nicht beantworten können.

Beim Antragsverfahren für den China-Einsatz des Ingenieurs unterlief der Personalstelle ein kleiner Fehler mit großen Folgen: Auf die Frage „Sind die Lohn- und Gehaltskosten (teilweise) den Unternehmen im Beschäftigungsstaat weiter zu belasten?“ kreuzte die Personalerin entgegen den Tatsachen (das Gehalt musste nämlich aus steuerlichen Gründen an die chinesische Tochtergesellschaft weiterbelastet werden) versehentlich „nein“ an. Die zunächst harmlos erscheinende Folge: Die zuständige Krankenkasse stellte den Maschinenbauunternehmern die Bescheinigung VRC/D 101 aus, wodurch der Ingenieur weiterhin ins deutsche Renten- und Arbeitslosenversicherungssystem einzahlte und somit seine Ansprüche sichern konnte.

Die negativen Folgen dieses kleinen falsch gesetzten Kreuzes stellten sich erst viele Jahre später heraus: Im Jahr 2015 sollte der China-Einsatz verlängert werden. Das Sozialversicherungsabkommen zwischen China und Deutschland sieht jedoch nur eine Entsendungsdauer von vier Jahren vor. Die einzige Möglichkeit, um Expats weiterhin in der deutschen Renten- und Arbeitslosenversicherung zu belassen, ist eine sogenannte Ausnahmevereinbarung, die bei der Deutschen Verbindungsstelle Krankenversicherung – Ausland (DVKA) gestellt werden muss. Das Verfahren ist mit einer Bearbeitungsdauer von mindestens zwei bis acht Monaten langwierig und vor allem komplex.

Die Personalerin des Maschinenbauunternehmers kannte die aufwendige Prozedur und leitete das Verfahren in die Wege. Dazu gehörte es auch, eine Begründung über die Notwendigkeit des verlängerten Auslandeinsatzes zu schreiben, die bisherigen Entsendebescheinigungen der Krankenkasse einzureichen und etliche Fragen in weiteren Antragsformularen zu beantworten. Eine Frage befasste sich erneut mit der Weiterbelastung des Gehalts des Ingenieurs und dieses Mal gab die Personalerin wahrheitsgemäß an, dass dieses in den vorangegangenen vier Jahren weiterbelastet worden war.

Diese richtige Antwort brachte den Stein schließlich in Rollen und hatte zur Folge, dass die DVKA die Verlängerung ablehnte. Begründung: Trägt das entsendende Unternehmen nicht zu 100 Prozent die Gehaltskosten des Expat, so stellt dies bei Ländern mit Sozialversicherungsabkommen ein Ausschlusskriterium für eine Entsendung mit Weitergeltung der heimischen Sozialversicherungspflicht dar. Was bedeutet dies für unseren Fall? Laut bestehender Rechtslage hätte die Entsendung rückabgewickelt werden müssen. Dies wiederum hätte die Nachzahlung der Beiträge zur Renten- und Arbeitslosenversicherung ins chinesische System eingeschlossen. Eine Rückerstattung der fälschlicherweise ins deutsche System eingezahlter Beträge war aufgrund der Verjährungsfrist von vier Jahren nicht möglich. Hinzu wäre die Zahlung von Strafgebühren wegen der fehlenden bei der chinesischen Sozialversicherung und – viel schlimmer – ein Abbruch der Entsendung aufgrund der falschen Abwicklung gekommen. Dass der betroffen Mitarbeiter alles andere als erfreut über diese Situation war, versteht sich von selbst.

Was also tun? Die zuständige Behörde in der Provinz Tianjin hatte die Entsendebescheinigung bereits seit vier Jahren vorliegen und warteten auf die Verlängerungsbestätigung der DVKA. Diese würde es jedoch nicht ohne weiteres geben. Das Maschinenbauunternehmen versuchte für die vorangegangenen vier Jahre, die fälschlicherweise als Entsendung unter Ausstrahlung des deutschen Sozialversicherungsrechts bestätigt worden waren, eine rückwirkende Ausnahmevereinbarung zu erwirken. Diese sollte außerdem für die geplanten weiteren vier Jahre gelten. Um dies zu erreichen, musste eine plausible schriftliche Erklärung geliefert und zahlreiche Formulare ausgefüllt werden. Nachdem die DVKA diese übersetzt und an die chinesischen Behörden weitergeleitet hatte, hieß es abwarten. Es war ein Glücksfall (es handelte sich dabei um einen reine Ermessensentscheidung), dass diese der DVKA zustimmten und tatsächlich eine Ausnahmevereinbarung für acht Jahre für den Aufenthalt des Ingenieurs ausstellte.

Fall 2: Entsendung nach Dubai
In einem weiteren Fall wurde der Geschäftsführer einer Firma in die Betriebsstätte nach Dubai – im Fachjargon der Sozialversicherungsexperten sogenanntes „vertragsloses Ausland“ – entsandt. Als es in den Antragsformularen für die Bestätigung der Entsendung um die Frage der Zuordnung der Lohn- und Gehaltskosten ging, hakte der Personalverantwortliche nach und fragte, ob diese Kosten zu 100 Prozent als Betriebsausgaben des Arbeitgebers steuerlich geltend gemacht würden. Die Antwort lautete „ja“. Die Konsequenz: Die für den privat Krankenversicherten Geschäftsführer zuständige Behörde stellte die dringend benötigte Entsendebescheinigung für den Auslandseinsatz nicht aus – sehr zum Missfallen des Geschäftsführers in Dubai, der gerne weiterhin im deutschen Sozialversicherungssystem verbleiben wollte.
Entgegen der Feststellung der Behörde erfüllte er die Voraussetzungen dafür aber eigentlich – das Problem war nur, dass die Finanzbuchhaltung die Frage nach der steuerlichen Behandlung der Gehaltskosten falsch interpretiert hatte. Jene Kosten wurden durchaus buchhalterisch dem Büro in Dubai zugeordnet, allerdings wurden sie nicht steuerlich geltend gemacht. Erbrachte wirtschaftliche Leistungen können nämlich nur juristischen Personen steuerlich zugeordnet werden. Eine Repräsentanz im Ausland (ein „Representative Office“) ist jedoch im steuerrechtlichen Sinn keine juristische Person, sondern lediglich eine Einheit eines Gesamtunternehmens.
Die Thematik ließ sich zwar noch klären, war aber mit einigem Aufwand verbunden, da Wiedersprüche gegen die Entscheidung der Behörde formuliert werden mussten etc.

Fall 3: Entsendung nach Belgien
Richtig „schlimm“ wird es, wenn ein Unternehmen seiner Melde-Pflicht für Auslandeinsätze eines Mitarbeiter nicht nachkommt. Dies zeigt der Fall einer Entsendung nach Belgien.

Ein Heizungsbauunternehmen suchte speziell für ein Großprojekt in Belgien einen Mitarbeiter. Es fand einen Techniker, der praktischerweise gerade bei einem österreichischen Konkurrenten gekündigt hatte, für den er zwei Jahre auf einer Baustelle in Belgien tätig gewesen war. Die Personalabteilung wusste, dass nach Ablauf von 24 Monaten mindestens zwei Monate Pause liegen müssen, um erneut eine zweijährige Entsendung mit Weitergeltung der deutschen Sozialversicherungsvorschrift genehmigt zu bekommen. Allerdings hatte das Unternehmen keine Zeit, zwei Monate bis zum Projektstart zu warten. Deswegen beantragte es eine Ausnahmevereinbarung für den Mitarbeiter auf. Die DVKA forderte die A1-Bescheinigungen für die erste Entsendung über den vorherigen Arbeitgeber an. Leider war die vorherige Firma ihrer Meldepflicht nicht nachgekommen– die nötigen Unterlagen existierten also nicht. Bis diese Information die verantwortlichen Personen überhaupt erreichte, vergingen einige Monate und der benannte Techniker war bereits auf der Baustelle in Belgien tätig – ohne die notwendige Ausnahmevereinbarung.

Dort trat das Schlimmstfall-Szenario ein: bei einem Arbeitsunfall zog sich der Techniker einen komplizierten Splitterbruch im Handgelenk zu. Als das Unternehmen den Schaden bei der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) meldete, erhielt es umgehend eine Leistungsverweigerung. Die DGUV wollte für die Unfallkosten nicht aufkommen, da der Mitarbeiter aufgrund seiner Auslandstätigkeit kein Mitglied gewesen sei. Stattdessen sollte der Arbeitgeber die Unfallkasse in Belgien informieren. Allerdings hatte die Personalabteilung den Mitarbeiter während der Phase der Antragsprüfung noch nicht im belgischen System angemeldet. Der Techniker war damit nicht nur unversichert, sondern auch illegal beschäftigt, denn in Belgien ist die A1-Bescheinigung für die Gültigkeit der Entsendung zentrale Voraussetzung für eine Beschäftigung in einer Auslandsniederlassung.

Die Situation eskalierte schließlich, als der Techniker durch seinen Anwalt damit drohte, sowohl den aktuellen Arbeitgeber als auch den vorherigen auf Schadensersatz zu verklagen. Glücklicherweise war eine außergerichtliche Einigung möglich, die aber verständlicherweise sehr teuer war.
Fehler trotz Fachkompetenz

Die genannten Beispiele zeigen, wie schwierig sich Antragsverfahren gestalten können und dass selbst bei umfangreicher Fachkompetenz Fehler mit großen Auswirkungen passieren können. Es empfiehlt sich daher, andere Unternehmensabteilungen (wie die Lohnbuchhaltung) sowie externe Partner (wie die Steuerberatungsgesellschaften des Unternehmens) von Anfang an in den Antragsprozess einzubeziehen und das Viel-Augen-Prinzip anzuwenden. Kaum eine Person kann es leisten, sämtliche Informationen, die den Entsendeprozess eines Mitarbeiters betreffen, allein zu verarbeiten.

Der nachfolgende Überblick zeigt eine Auswahl wichtiger Anträge bei Auslandsentsendungen, jeweils mit den zuständigen Behörden. Auch dies zeigt noch einmal deutlich die Komplexität.

Anträge bei Auslandsentsendungen

 

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