Entschädigung für Kinderbetreuung in Zeiten von Corona
Schon mehrfach hatten wir über die Optionen der Entgelterstattung aufgrund Schließung von Kindertagesstätten oder Schulen informiert. Ergänzend kommt es vor, dass sich Kinder (und Eltern) wegen auftretender Corona-Fälle in Quarantäne begeben müssen. Aufgrund immer wieder neuer gesetzlicher Entwicklungen und Abstimmungen mit den Krankenkassen haben wir die Ansätze aktuell für Sie zusammen geführt:
Anspruch auf bezahlte Freistellung
Müssen Eltern die Betreuung ihrer Kinder durch eigene Aufsichtspflicht sicherstellen, weil z. B. in Zeiten von Corona Familienangehörige für die Betreuung ausscheiden, können sie gegenüber ihrem Arbeitgeber aufgrund eines persönlichen Leistungshindernisses die Arbeit „verweigern“. In dem Fall kann der jeweilige Elternteil gegenüber dem Arbeitgeber für einen begrenzten Zeitraum den Lohnanspruch aufrecht erhalten (§ 616 BGB). Dieser Lohnfortzahlungsanspruch besteht aber nur, wenn von Anfang an klar ist, dass der Ausfall nur wenige Tage dauern wird. Für zweiwöchige Quarantänen oder längere Schul- bzw. Kindertagesstätten-Schließungen kommt § 616 BGB nicht in Frage.
Beispiel: In einer Schulklasse ist Kind K am Corona-Virus erkrankt. Die Kinder aus der Parallelklasse, die mit K Religionsunterricht hatten, müssen sich testen lassen und bis zum Erhalt des Testergebnisses zu Hause bleiben. Nach vier Tagen liegt das Testergebnis vor. Eltern, die ihre Kinder an den vier Tagen zu Hause betreuen, können Lohnfortzahlung unter den Voraussetzungen des § 616 BGB verlangen.
In den Fällen, in denen § 616 BGB nicht greift, z. B. weil die Regelung im Arbeitsvertrag ausgeschlossen wurde, stehen die gesetzlichen Entschädigungsregelungen für die Betreuung der Kinder zur Verfügung: die Kinderkranktage mit Krankengeld sowie die Entschädigung nach IfSG.
Kinderkranktage und Krankengeld
Gesetzlich versicherte Eltern, die ihre Kinder „corona-bedingt“ betreuen müssen, haben gegen ihre Krankenkasse einen Anspruch auf Krankengeld (oft „Kinderkrankengeld“ genannt), sofern die Voraussetzungen des § 45 Abs. 1, Abs. 2a SGB V erfüllt sind. Um Krankengeld zu erhalten,
- darf das Kind das zwölfte Lebensjahr noch nicht vollendet haben oder muss das Kind behindert und auf Hilfe angewiesen sein,
- darf die Betreuungseinrichtung ‒ wie Schule oder Kindertagesstätte ‒ pandemiebedingt nicht besucht werden können und
- darf keine anderweitige Betreuungsmöglichkeit durch eine andere im selben Haushalt lebende Person möglich sein.
Erfasst sind Komplettschließungen der Betreuungseinrichtung, die Aussetzung von Präsenzunterricht, behördliche Empfehlungen zum Daheimbleiben oder die Verlängerung von Schul- bzw. Betriebsferien. Das Kind selbst muss nicht krank oder in Quarantäne sein. Auch Eltern, die im Home-Office arbeiten (könnten), haben bei entsprechendem Kinderbetreuungsbedarf die Möglichkeit, stattdessen Kinderkrankengeld zu beantragen. Die Krankenkassen können die Vorlage einer Bescheinigung der Kita oder der Schule verlangen.
Mit dem Vierten Bevölkerungsschutzgesetz wurde die Zahl der Tage für 2021 noch einmal erhöht. Für 2021 besteht ein Anspruch auf Krankengeld
- pro Elternteil für jedes Kind längstens für 30 Arbeitstage (aber für nicht mehr als 65 Arbeitstage) bzw.
- für alleinerziehende Versicherte längstens für 60 Arbeitstage (aber für nicht mehr als 130 Arbeitstage).
- Beschäftigte können die genannten Kinderkrankentage somit im Laufe des gesamten Jahres 2021 nehmen ‒ auch ohne Corona-Bezug.
Das Krankengeld umfasst grundsätzlich bis zu 90 Prozent des ausgefallenen Nettoeinkommens, gedeckelt auf 70 Prozent der Beitragsbemessungsgrenze. Das sind bis zu 112,88 Euro pro Tag für das Jahr 2021.
Praxistipp: Ist ein Arbeitnehmer zu 100 Prozent in Kurzarbeit, kann er seine Kinder betreuen, und kann daher kein Krankengeld beziehen. Etwas anderes gilt, wenn der Arbeitnehmer während der Kurzarbeit noch arbeitet, und seine Kinder trotzdem betreuen muss (z. B. aufgrund einer Schulschließung). In dem Fall kann er auch während der Kurzarbeit Kinderkranktage beanspruchen. Die Zahlung des Krankengelds schließt dann aber den gleichzeitigen Bezug von Kurzarbeitergeld aus.
Entschädigung nach dem Infektionsschutzgesetz
Auch das IfSG sieht Entschädigungsansprüche vor: Hat der Bundestag eine epidemische Lage von nationaler Tragweite festgestellt, aufgrund derer Betreuungseinrichtungen nur eingeschränkt oder gar nicht geöffnet haben, erhalten erwerbstätige Eltern einen Entschädigungsanspruch für etwaigen Verdienstausfall wegen notwendiger Kinderbetreuung. Voraussetzung ist,
- dass das Kind unter zwölf Jahre alt bzw. behindert und hilfebedürftig ist,
- die erwerbstätige Person ihr Kind in diesem Zeitraum selbst beaufsichtigt, betreut oder pflegt, weil sie keine anderweitige zumutbare Betreuungsmöglichkeit sicherstellen kann, und
- die erwerbstätige Person dadurch einen Verdienstausfall erleidet.
Wichtig: Vor allem hinsichtlich der alternativen Betreuungsmöglichkeit ist diese Regelung nach IfSG strenger als die des SGB V. Eine anderweitige zumutbare Betreuungsmöglichkeit muss nicht notwendigerweise durch eine im selben Haushalt lebende Person vorgenommen werden. Auf Verlangen des Arbeitgebers muss der Arbeitnehmer darlegen, dass keine andere zumutbare Betreuungsmöglichkeit besteht.
Beispiel: Die Kita eines Kindes hat wegen mehrerer Corona-Fälle geschlossen. Die Eltern sind nicht in Quarantäne. Die Mutter des Kindes möchte das Kind selbst zu Hause betreuen und Entschädigungsansprüche nach dem IfSG erhalten. Der Arbeitgeber verlangt von der Mutter eine Erklärung, warum die Großmutter des Kindes ‒ wie oft in der Vergangenheit geschehen ‒ dieses Mal nicht einspringen kann.
Die erwerbstätige Person muss einen Verdienstausfall erleiden. Sofern sie z. B. selbst in Quarantäne ist und ggf. einen Entschädigungsanspruch nach dem IfSG hat oder krankgeschrieben ist und einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung hat, dürften diese Ansprüche vorgehen.
Der Entschädigungsanspruch ist gegen den Arbeitgeber zu richten. Dieser hat dann einen Anspruch auf Erstattung gegenüber der jeweils zuständigen Landesbehörde, z.B. den Regierungspräsidien in Baden-Württemberg.
Der Arbeitgeber hat die Entschädigung für die Dauer der vom Deutschen Bundestag festgestellten epidemischen Lage von nationaler Tragweite unabhängig von der Anzahl der Kinder für längstens zehn Wochen pro Jahr bzw. für eine erwerbstätige Person, die ihr Kind allein beaufsichtigt, betreut oder pflegt, für längstens 20 Wochen pro Jahr zu zahlen.
Entschädigt werden 67 Prozent des entstandenen (Netto-)Verdienstausfalls, gedeckelt bei 2.016 Euro im Monat. Reduziert wird der Anspruch, wenn
- der Arbeitgeber Zuschüsse zahlt oder der Arbeitnehmer ein Einkommen aus einer Ersatztätigkeit bezieht oder böswillig nicht die Möglichkeit eines Zuverdiensts nutzt und
- dies zusammen mit der Entschädigung die Summe des Verdienstausfalls übersteigt.
Der Arbeitgeber muss innerhalb von zwei Jahren ab Auszahlung Erstattung der Entschädigungszahlung aus § 56 Abs. 1a IfSG bei der zuständigen Behörde beantragen. Er kann vorab einen Vorschuss beantragen.
Fazit: Das Krankengeld nach SGB V ist seiner Höhe nach für den Arbeitnehmer attraktiver. Der Gesetzgeber regelt, dass für die Zeit des Bezugs von Krankengeld nach den Regelungen über die Kinderkranktage der Anspruch nach dem IfSG ruht. Daher besteht im Ergebnis ein Wahlrecht bei gesetzlich Versicherten während einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite. Ist der Arbeitnehmer privat krankenversichert, besteht kein Anspruch auf Krankengeld. Es kommt nur der Entschädigungsanspruch nach IfSG in Frage.