Außendienstmitarbeiter ohne erste Tätigkeitsstätte: Herausforderung von Entfall geldwerter Vorteil versus Fahrzeit zum Kunden als Arbeitszeit

Außendienstmitarbeiter, die täglich von ihrem Wohnort zu verschiedenen Kunden und zurück zum Wohnort fahren, haben meist keine erste Tätigkeitsstätte im Unternehmen und somit entfällt die Versteuerung eines geldwerten Vorteils für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte.

Meist werden die Fahrzeiten von der Wohnung zum Standort des ersten Kunden des Tages und die Fahrzeiten vom Standort des letzten Kunden zum Wohnort als Ruhezeit betrachtet. Nur die Einsatzzeiten an den Standorten und die Fahrzeiten von einem zum anderen Kunden werden in der Regel als Arbeitszeit anerkannt.

Für den EuGH zählen auch die Fahrten zu Beginn und am Ende des Tages zur Arbeitszeit, wie ein aktuelles Urteil vom 10.9.2015 aufzeigt. Für den EuGH gilt: Nur wenn ein Arbeitnehmer eigenen Interessen nachgehen und über seine Zeit frei bestimmen kann, liegt keine Arbeitszeit vor. Diese Möglichkeiten haben Außendienstmitarbeiter in der Regel auf der Fahrt zum Kunden nicht. Zwar haben sie während der Fahrten gewisse Freiheiten. Jedoch kann der Arbeitgeber auch während der Fahrzeit Weisungen erteilen, z. B. die Kundenreihenfolge ändern, einen Termin streichen oder hinzufügen. Bei Außendienstmitarbeitern gehören damit die Fahrten untrennbar zum Wesen der Arbeit.

Sofern die Hauptaufgabe eines Mitarbeiters auf den Besuch der Kunden gerichtet ist – was insbesondere bei Außendienstmitarbeitern und Handelsvertretern der Fall ist –, gehört die Reisetätigkeit zu den vertraglichen Hauptleistungspflichten. Damit zählen die Fahrten zu Kunden selbst dann zur Arbeitszeit, wenn sie ab der Wohnung beginnen oder dort enden. Der EuGH bestätigt damit den bereits vom BAG eingeschlagenen Weg.

Praxistipp: Mit der Einordnung der Fahrzeit als Teil der Arbeitszeit ist noch keine Aussage dazu getroffen, wie sie zu vergüten ist. Der Arbeitgeber sollte die Vergütung der Fahr- bzw. Reisezeit gesondert vertraglich regeln. Er kann für eine andere als die eigentliche Tätigkeit eine gesonderte Vergütung wählen, also für die erste und letzte Fahrt einen geringeren Lohn vereinbaren als für die übrige Arbeitszeit. Dabei muss er jedoch beachten, dass die Vereinbarung nicht gegen gesetzliche Vorgaben wie z. B. den MiLoG oder einen eventuell bestehenden Tarifvertrag verstößt.

Im Einzelfall kann etwas anderes gelten. Für diese Fälle zeigt der EuGH eine Richtung auf – je nachdem, welche Wegkonstellation der Arbeitnehmer zur ersten Tätigkeitsstätte bzw. zum Kunden wählt:

Verschiedene Wegkonstellationen: Arbeitszeit – ja oder nein?

 

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