Der Bundesrat hat am 26.05. das PUEG verabschiedet: durch die Beschlussempfehlung vom 24.5.2023 kommt es zu Erleichterungen, aber auch neuen Unebenheiten im Vergleich zum Regierungsentwurf. Geplant ist, dass das PUEG am 16.6.2023 vom Bundestages bestätigt wird. Danach erfolgt zeitnah die Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt, damit die Änderung zu den Pflegebeiträgen zum 1.7.2023 in Kraft treten kann.
Klargestellt ist nun: die grundsätzliche Neuregelung der Beitragssätze zum 1.7.2023 bleibt, d.h.
- Zum 1.7.2023 wird der Beitrag der Beschäftigten / Betriebsrentner zur gesetzlichen Pflegeversicherung auf 3,4% angehoben. Der Zuschlag für Kinderlose wird auf 0,6% erhöht. Der Nachweis der sog. Elterneigenschaft bleibt wie bisher lebenslang an den Nachweis eines Kindes geknüpft.
- Zum 1.7.2023 wird gleichzeitig ein Beitragsabschlag ab dem 2. bis zum 5. Kind i.H.v. 0,25% eingeführt. Es sind nur Kinder bis zur Vollendung des 25. Lebensjahr zu berücksichtigen. Verstirbt ein Kind vor Vollendung des 25. Lebensjahres zählt es weiter bis zur fiktiven Vollendung des 25. Lebensjahres.
- Der Beitragssatz der Arbeitgeber zur Pflegeversicherung bleibt konstant bei 1,7%.
- Rentner tragen, wie bisher, den vollen Beitragssatz selbst.
Das Verfahren zur Umsetzung wurde um weitere Vorgaben konkretisiert: Selbsterklärung, digitales Verfahren, analoger Nachweis
- Die Elterneigenschaft sowie die Anzahl der Kinder unter 25 Jahren müssen dem Arbeitgeber – von Selbstzahlern gegenüber der Pflegekasse – nachgewiesen sein, sofern die Angaben nicht bereits vorliegen. Der Spitzenverband Bund der Pflegekassen gibt Empfehlungen darüber, welche Nachweise geeignet sind; diese Empfehlung steht noch aus.
- Drei Möglichkeiten für den Nachweis der Kindereigenschaft sind angedacht. Basis ist die Planung eines digitalen Verfahrens, dass bis zum 31.03.2025 zur Erhebung und zum Nachweis der Anzahl der berücksichtigungsfähigen Kinder entwickelt werden soll.
- die beitragsabführende Stelle rechnet weiter ohne Berücksichtigung der Kinderzahl ab und wickelt nach Abruf der Daten im digitalen Verfahren im Jahre 2025 in 2025 rückwirkend alle Abschläge für Kinder nachträglich ab. Bis 2025 müssten in dieser Variante also auch keine Daten der Kinder vorgehalten werden. Danach haben die beitragsabführenden Stellen bis zum 30.6.2025 – also drei Monate – Zeit, die Abschläge rückwirkend abzuwickeln (§ 55 Abs. 3d Satz 1 SGB XI). Wichtig zu beachten ist, dass Verzugszinsen für die Rückabwicklung ab 1.7.2023 zu zahlen sind. Offen ist noch, wie mit zwischenzeitlichen Arbeitgeberwechseln / Versterben des Beitragspflichtigen zu verfahren sein wird.
- Der Nachweis der Kindereigenschaft gilt in dem Zeitraum vom 1.7.2023 bis zum 30.6.2025 bereits als erbracht, wenn der Beschäftigte oder Versorgungsbezugsempfänger auf Anforderung des Arbeitsgebers oder der Pflegekasse die erforderlichen Angaben zu den berücksichtigungsfähigen Kindern mitteilt, das bedeutet, es genügt eine Selbsterklärung, ohne dass die beitragsabführenden Stellen dies prüfen müssen (§ 55 Abs. 3d Satz 2 SGB XI). Spätestens ab 1.7.2025 muss die beitragsabführende Stelle sich dann für das digitale oder analoge Verfahren zum Nachweis entscheiden. Wichtig zu beachten ist hierbei, dass mit Einführung des digitalen Verfahrens spätestens zum 31.3.2025 die Selbsterklärung eines Mitglieds durch Abgleich mit den Werten des digitalen Verfahrens überprüft wird. Evtl. Änderungen müssten dann rückwirkend abgewickelt werden, wie zu vermuten ist.
- Die beitragsabführende Stelle erhält, prüft und verarbeitet die Nachweise zur Kindereigenschaft in „analoger“, d. h. Papierform, sofern diese Angaben nicht bereits bekannt sind. (§ 55 Abs. 3a Satz 1 SGB XI). Durch die Aufnahme im Gesetz ist die Speicherung der Daten und Nachweise nach DSGVO möglich. Es wird ein Schreiben des GKV-Spitzenverbandes in Kürze erwartet, welche Nachweise zur Kindereigenschaft akzeptiert werden. Ein späterer Übergang zum digitalen Verfahren ist möglich. Wichtig hier ist, dass die vermutlich geprüft werden muss, ob Artikel 14 DS-GVO (Informationspflicht, wenn die personenbezogenen Daten nicht bei der betroffenen Person erhoben werden) greift.
Kinderabschlag: Ab wann gilt für wen was? Der § 55 Abs. 3b SGB XI
- Nachweise für Kinder, die vor dem 1. Juli geboren wurden, wirken vom 1. Juli 2023.
- Beitragszuschlag für Kinderlose (Elterneigenschaft): Nachweise für zwischen dem 1.4.2023 und dem 30.6.2023 geborene Kinder, die innerhalb von drei Monaten nach der Geburt des Kindes erbracht wurde, gelten als mit Beginn des Monats der Geburt als erbracht.
- Nachweise für Kinder, die im Zeitraum vom 1.7.2023 bis zum 30.6.2025 geboren werden, wirken ab Beginn des Monats der Geburt.
- Nachweise für Kinder, die ab dem 1.7.2025 geboren wurden, gelten als mit der Geburt erbracht, wenn innerhalb von drei Monaten nach der Geburt des Kindes vorliegend. Ansonsten wirkt der Nachweis ab Beginn des Monats, der dem Monat folgt, in dem der Nachweis erbracht wird.
- Der Abschlag gilt auch weiter bis zur fiktiven Vollendung des 25. Lebensjahres, wenn ein Kind vorher verstirbt (§ 55 Abs. 3 Satz 4 SGB XI).
Hinweis:
Der Wortlaut des Abs. 3b ist so, dass – unabhängig davon, wann für Kinder, die vor dem 1.7.2025 geboren wurden, der Nachweis (per Selbsterklärung, per analogem Nachweis, per digitalem Abruf) erbracht wird – diese für den Kinderabschlag nachträglich, auch nach Ablauf von Jahren, ab 1.7.2023 an zu berücksichtigen sind. Es greifen die Verzugszinsen, aber auch die Verjährungsfrist nach § 27 SGB IV.
Nur für ab 1.7.2025 geborene Kinder gilt die „alte Regelung“, dass nur bei Nachweis innerhalb von drei Monaten nach der Geburt eine Rückwirkung eintritt und ansonsten der Abschlag nur für die Zukunft gilt.
Der noch im Regierungsentwurf vorgesehene Karenzzeitraum für die zusätzliche Abrechnung von Verzugszinsen für die Rückerstattung gemäß § 27 Abs. 1 SGB IV entfällt komplett.
Elternbegriff – wer sind Kinder (§ 55 Abs. 3 S. 3 SGB XI)
Für den Nachweis der Elterneigenschaft bzw. der Kindereigenschaft zählen als Eltern auch Stief- und Pflegeeltern bzw. die Stief- und Pflegekinder. Eine umfassende Aufzählung findet sich derzeit noch im Schreiben des GKV-Spitzenverbands vom 7.11.2017. Mit einem zeitnahen Update ist zu rechnen.
Praxistipp: Der Abschlag für Kinder greift auch für Eltern, die das 23. Lebensjahr noch nicht vollendet haben.
Steuerliche Auswirkungen des PUEG
Das BMF hat am 17.5.2023 Entwürfe für geänderte Programmablaufpläne für den Lohnsteuerabzug ab dem 1.7.2023 bekannt gegeben. Diese Entwürfe berücksichtigen schon die Änderungen der Beitragssätze zur sozialen Pflegeversicherung ab 1.7.2023. Aber: Beim Lohnsteuerabzug in der zweiten Jahreshälfte 2023 bleibt der Abschlag in der sozialen Pflegeversicherung ab dem zweiten bis zum fünften Kind noch unberücksichtigt. Dies vermeidet – so das BMF – Unsicherheiten bei der Berechnung bzw. Ermittlung der Lohnsteuer, wenn den Arbeitgebern kurzfristig noch keine Informationen zu den in der sozialen Pflegeversicherung zu berücksichtigenden Kindern vorliegen.
Der ab dem 1. Juli 2023 vorgenommene Lohnsteuerabzug ist vom Arbeitgeber spätestens bis zum 1. September 2023 zu korrigieren. Eine Verpflichtung zur Neuberechnung scheidet aus, wenn z. B. der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber keinen Arbeitslohn mehr bezieht oder wenn die Lohnsteuerbescheinigung bereits übermittelt oder ausgeschrieben worden ist.
Bezüglich der Pflegeunterstützung hat man sich im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens auf einige Änderungen verständigt:
Das sogenannte Entlastungsbudget soll zum 1. Juli 2025 wirksam werden. In der häuslichen Pflege können dann Leistungen der Verhinderungspflege (bisher bis zu 1.612 Euro) und Kurzzeitpflege (bisher bis zu 1.774 Euro) im Gesamtumfang von 3.539 Euro flexibel kombiniert werden. Für Eltern pflegebedürftiger Kinder mit Pflegegrad 4 oder 5 steht das Entlastungsbudget schon ab dem 1. Januar 2024 in Höhe von 3.386 Euro zur Verfügung und steigt bis Juli 2025 auf ebenfalls 3.539 Euro an. Dafür soll die ab 2025 geplante Dynamisierung der Geld- und Sachleistungen in der Pflege von 5 auf 4,5 Prozent abgesenkt werden.
Der Ausschuss ergänzte zudem eine Regelung, wonach die Bundesregierung dazu ermächtigt werden soll, den Beitragssatz in der Pflegeversicherung künftig durch Rechtsverordnung festzusetzen, falls auf einen kurzfristigen Finanzierungsbedarf reagiert werden muss. Eine solche Verordnung darf demnach nur unter bestimmten Voraussetzungen und bis zu einer bestimmten Größenordnung genutzt werden. Zudem muss die Verordnung dem Bundestag zugleitet werden, der sie ändern oder ablehnen kann. Mit einer weiteren Änderung wird die Möglichkeit geschaffen, das Vorliegen einer Pflegebedürftigkeit regelhaft mittels strukturierter Telefoninterviews zu prüfen, jedoch nur bei Folgebegutachtungen und nicht bei einer Erstbegutachtung eines Antragstellers oder bei der Prüfung der Pflegebedürftigkeit von Kindern.